Full text: Tagebuchblätter. Erster Band. (1)

146 Sechstes Kapitel 1. September 
Neger vorbeifuhr. Nun hatte unser alter Herr, der sonst bei 
solchen Gelegenheiten sicher nur Ohr und Gedächtnis für die 
Worte seines Chefs war, das Unglück, daß er ein übergroßes. 
Interesse für alles, was zum Hofe gehörte, empfand, und das kam 
ihm in diesem Augenblicke nicht zu gute. Die Erscheinung des 
Prinzen war ihm offenbar wichtiger als der redende Minister, und 
als dieser, der das bemerkt haben mußte, ihn nach dem soeben 
Gesagten fragte, gab er eine etwas verwirrte Antwort. Er mußte 
dafür die herbe Ermahnung hören: „So hören Sie doch darauf, 
was ich sage, Herr Geheimrat, und lassen Sie Prinzen in Gottes 
Namen Prinzen sein. Wir reden hier in Geschäften.“ Später 
äußerte er zu uns: „Der alte Mann ist rein weg, wenn er etwas 
vom Hofe gewahr wird“ — dann wie entschuldigend: „Ich möchte 
ihn aber doch nicht entbehren; er ist unter andern Umständen recht 
wohl zu brauchen.“ 
Nachdem der König erschienen und, die bunte Stabswache 
voraus, weggefahren war, folgten wir ihm, wobei wir zuerst die tags. 
vorher berührten Ortschaften Chemery und Chehery wieder passierten 
und dann bei einem dritten Dorfe, das links von der Chaussee in 
einer Bodenvertiefung liegt, am Fuße eines kahlen Hügels auf einem 
Stoppelfelde zur Rechten der Landstraße Halt machten. Hier stieg 
der König mit seinem Gefolge von Fürsten, Generalen und Hofleuten 
zu Pferde, unser Chef that desgleichen, und alles begab sich nach dem 
flachen Gipfel der Anhöhe über uns. Wie uns ferner Kanonendonner 
verkündete, war die erwartete Schlacht bereits im vollen Gange. Heller 
Sonnenschein am wolkenlosen Himmel leuchtete dazu. 
  
1 Abeken S. 403 schreibt aus Vendresse, Donnerstag, den 1. Sep- 
tember 1870: „Der Minister ist mit dem König um drei Uhr fort. Graf Hatz- 
feldt ist mitgeritten, Keudell und ich sind hier geblieben, weil wir reichlich zu 
arbeiten haben.“ In einer Nachschrift abends nach acht Uhr: „Der Morgen 
ging mit den aufgetragnen Arbeiten und dem Schreiben der vorigen Blätter hin. 
Am Nachmittage ging ich mit Keudell auf eine nahe Anhöhe, wo unfre Posten 
standen; wir hörten das ferne Feuern der Infanterie und sahen den Rauch 
brennender Dörfer, jede weitere Übersicht aber wurde uns durch waldige Höhen 
genommen.“ 
Bismarck an seine Frau, Vendresse, 3. September: „Vorgestern vor 
Tagesgrauen verließ ich mein hiesiges Quartier.“ 
Der Generalstab brach um fünf Uhr auf. Verdy 189.
	        
Waiting...

Note to user

Dear user,

In response to current developments in the web technology used by the Goobi viewer, the software no longer supports your browser.

Please use one of the following browsers to display this page correctly.

Thank you.