Full text: Tagebuchblätter. Erster Band. (1)

2., 3. September Sechstes Kapitel 165 
— „Hier wäre er aber nicht mehr Gefangner,“ versetzte Solms. — 
„Nun, das schadete nichts — erwiderte der Minister —, auch wenn 
er da eine andre Richtung einschlüge. Ich war dafür, daß er 
über Belgien ginge, und er schien auch geneigt dazu. Wenn er 
sein Wort nicht hielte, so thäte uns das keinen Schaden. Aber wir 
müßten bei dieser Tour erst in Brüssel anfragen und hätten unter 
zwei Tagen keinen Bescheid.“ 
Als ich wieder nach meinem Alkoven kam, hatte Krüger, der 
neuangekommne Kanzleidiener, meine Matratze und Decke für Abeken 
mit Beschlag belegt. Dieser, der dabei stand, sagte: „Nun aber 
haben Sie kein Bett.“ Ich entgegnete: „Es gehört selbstverständ— 
lich Ihnen,“ und das war nicht mehr als billig; denn der alte 
Herr hatte die ganze weite Expedition des Königs wacker zu Pferde 
mitgemacht. 
Ich verbrachte dann die Nacht ganz erträglich auf dem Fuß- 
boden der Hinterstube gegenüber der Küche unsers Doktors. Mein 
Lager, von dem erfindungsreichsten der Diener, meinem braven 
Theiß, konstruiert, bestand aus vier mit blauem Tuch überzognen 
Wagenkissen, von denen eins, gegen die Lehne eines umgestülpten 
Stuhles gelegt, einen bequemen Kopfpfühl abgab. Als Decken 
dienten meine Müdigkeit und der Regenmantel aus Kautschuk, zu 
denen Krüger am Morgen, wo es bitterkalt geworden war, noch 
eine Decke von brauner Wolle hinzufügte, die von den Franzosen 
erbeutet war. Neben mir schliefen rechts Engel, links Theiß, in 
der einen Ecke auf Bockbetten zwei bayrische Soldaten. Im Neben- 
zimmer lag, durch den Arm geschossen, Rittmeister von Dörnberg, 
der Adjutant des Generals von Gersdorf, der das elfte Armeekorps 
befehligte. Frühzeitig durch den Lärm der Leute, die in der Stube 
Hosen ausbürsteten, Stiefel wichsten und Knöpfe putzten, mit der 
Magd französisch radebrechten, nach Wasser, nach dem Barbier und 
dergleichen fragten, allmählich wach geworden, trank ich aus einer 
Bowle, in der ein Eßlöffel steckte, Kaffee und aß ein Stück Brot 
dazu. Man hatte so wenigstens einmal etwas von den Entbeh- 
rungen des Feldzugs zu kosten. 
Um acht Uhr, als ich eben noch mit diesem Frühstück be- 
schäftigt war, klang es genau so, als ob wieder heftig geschossen 
würde. Es waren aber nur die Pferde in einem benachbarten
	        
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