Full text: Tagebuchblätter. Erster Band. (1)

5. September Siebentes Kapitel 173 
herauszugeben hatte. Das Gewässer, das durch Rethel fließt, die 
Aisne, ist schön grün wie der Rhein. Nicht weit von unserm 
Quartier führt eine Steinbrücke darüber, über die am ganzen 
Vormittag große Massen von Truppen zogen. Zuletzt kamen 
vier preußische Infanterieregimenter. Es waren auffallend wenige 
Offiziere dabei, mehrere Kompagnien wurden von jungen Leut- 
nants oder Fähnrichen kommandiert. So namentlich beim 6. und 
beim 46. Regiment, von dessen Bataillonen eins einen erbeuteten 
französischen Adler mit sich führte. Dann folgten die Fünfziger 
und die Siebenunddreißiger. Es war glühend heiß, die Leute 
waren dick bedeckt mit dem weißen Kreidestaub der Champagne, 
marschierten aber durchgehends stramm und fest auf den Beinen 
dahin. Unfre Kutscher stellten ihnen Eimer mit Wasser an den 
Weg, aus denen sich die Durstigen im Vorbeigehen mit Zinn- 
tassen, Blechnäpfen, Gläsern, zuweilen auch mit der Pickelhaube 
ihren Trunk schöpften. 
Zwischen zwölf und ein Uhr ward nach Reims aufgebrochen. 
Die Gegend, die unfre Straße durchschneidet, ist großenteils flach 
gewelltes Land mit wenigen Dörfern und einem weißlichen Boden. 
Häufiger Triften als Acker, wo Getreide gestanden hat. Hie und 
da eine Windmühle — ein Institut, das ich bis dahin in Frank- 
reich noch nicht bemerkt hatte. Zuletzt zur Seite niedriger Kiefern- 
wald. An einer Stelle der Straße unterhält sich Keudell mit einem 
Rittmeister von den schwarzen Dragonern. „Es war ein Sohn 
des Ministers von Schön,“ sagt er. „Er hat bei Wörth und 
Sedan mitgefochten." 
Endlich tauchen in der Ferne über dem flimmernden Gefilde 
die Türme der Kathedrale von Reims und jenseits der Stadt bläu- 
liche Höhen auf, die später grün werden und an ihren Abhängen 
weiße Ortschaften zeigen. Wir fahren durch ärmliche, dann durch 
anspruchsvollere Gassen und über einen Platz mit Denkmal nach 
der Rue de Cloitre, wo wir schräg über von dem großen Münster 
in dem stattlichen Hause eines Herrn Dauphinot Quartier finden. 
Der Chef wohnt hier in dem Flügel rechts vom Eingange in den 
Hof, und zwar im ersten Stock, das Büreau etabliert sich im 
erhöhten Parterre unter seinem Zimmer, die Stube daneben wird 
zum Speisesaal eingerichtet. Ich bekomme mein Logis im linken
	        
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