Full text: Tagebuchblätter. Erster Band. (1)

182 Siebentes Kapitel 10. September 
„Nein, ich habe mir selbst was verordnet und in der Apotheke 
geholt.“ 
„Was denn?“ 
Ich sagte es ihm. 
„Das ist nichts — erwiderte er —, Sie sind wohl Autodidakt? 
Halten nichts von den Doktoren?“ 
„Ich habe seit vielen Jahren keinen gebraucht.“ 
„Nun ja, sie können einem gewöhnlich auch nicht viel helfen, 
machens oft nur schlimmer. Aber hier ist doch nicht zu spaßen. 
Schicken Sie zu Lauer, das ist ein netter Mann. Ich weiß freilich 
nicht, was ich ihm an Gesundheit zu bezahlen haben werde, ehe 
ich nach Hause komme. Und nun legen Sie sich zwei Tage ins 
Bett, da ist die Sache gehoben; sonst kommen Rückfälle, und Sie 
können unter drei Wochen nicht wieder aufstehen. Ich leide auch 
oft an so was, und da auf dem Kamin, das eingewickelte Fläschchen — 
30—35 Tropfen auf ein Stück Zucker. Nehmen Sies, aber geben 
Sie mirs hernach wieder. Und wenn ich Sie rufen lassen sollte, 
so sagen Sie nur, daß Sie nicht könnten. Ich komme dann zu 
Ihnen, wenn ich was für Sie habe — Sie können dann vielleicht 
im Bette schreiben." 
Abends gab uns Delbrück eine Probe der Gesinnung, die die 
Stuttgarter Majestät beseelen soll. „Als württembergische Jäger 
in diesen Tagen eine von ihnen eroberte Mitrailleuse nach Stutt- 
gart gebracht, sie vor das Schloß geschafft und dies dem Könige 
gemeldet hatten, da hat er ihnen sagen lassen, man sollte ihn damit 
nicht behelligen, sondern sie nach der Kommandantur fahren.““) 
  
*) Im Ordre vom 5. Oktober 1871 erzählte der Herzog von Gramont: 
Nichts kam nach seinen (Saint Valliers) Berichten (aus den Tagen vor Aus- 
bruch des Krieges) dem Kleinmut der Württemberger (natürlich nur am Hofe und 
in dessen Sphäre) und vorzüglich dem des Königs Karl gleich, den er mit Lächer- 
lichkeit bedeckte. Er war verloren zwischen zwei Befürchtungen, der vor den 
Preußen, die ihn zu nahe einschlossen, als daß er imstande gewesen wäre, ihnen 
zu trotzen, und der vor den Franzosen, deren Sieg er voraussah. „Vor seiner 
Abreise hatte er den König in freier Luft gesehen, in einem Garten, sagte er 
— ohne Zweifel in dem seiner Sommerresidenz —, und er erzählte von der Ver- 
legenheit dieses Fürsten, dessen unruhiger Blick die Tiefen der benachbarten Garten- 
gebüsche sondierte, um sich Gewißheit zu verschaffen, daß niemand den Ausdruck 
seiner Sympathien für Frankreich hörte oder verstünde. Das geringste Geräusch,
	        
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