Full text: Tagebuchblätter. Erster Band. (1)

186 Siebentes Kapitel 11. September 
Eigentum nun wieder haben wollte. Wir verwiesen sie an die 
Polizei, die ihr Recht verschaffen werde. Sie weigerte sich, wir 
müßten ihr helfen. Quoi, je suis mère de famille!l Aber wir 
stehen nicht mehr bei dem Akte des Schauspiels, wo die Kuh von 
Faulquemont bezahlt wurde. 
Bei Tische speiste Knobelsdorf wieder mit uns. 1 Später wurde 
ich mehrmals zum Chef geholt, um Aufträge zu erhalten. Die 
Belgier und Luxemburger haben sich unfreundlich gegen unfre Ver- 
wundeten betragen, und man vermutet wohl nicht mit Unrecht 
ultramontane Wühlerei dahinter. Die Mitrailleusenkugeln scheinen 
mit einer giftigen Substanz legiert zu sein; denn sie verursachen 
brandige Wunden. Favre, „der für uns nicht existiert,“ wie der 
Chef heute sagte, hat auf dem Umwege über London anfragen 
lassen, ob man bei uns auf Waffenstillstand und Unterhandlungen 
einzugehen geneigt sei. Er scheint es eilig damit zu haben, der 
Kanzler nicht. Dieser hat, als Bölsing ihm die Bernstorffsche 
Depesche hinaufgebracht hat, nach der Lord Granville von diesem 
dringend baldige Meldung der Favreschen Anfrage an den Bundes- 
kanzler verlangt, einfach gesagt: „Die Antwort auf dieses Gequassel 
hat Zeit.“ 2 
Abends nach zehn Uhr kam der Chef zum Thee herunter. Er 
wollte dann eine „schlechte leichte Cigarre,“ die ich ihm geben konnte, 
da meine Tasche jetzt nur solches Kraut enthielt. Man sprach erst 
von der Predigt Rogges, in der dem Minister der ungeschichtliche 
Chlodwig und der stark verklärte heilige Ludwig auch aufgefallen 
war. Dann erzählte er von seinem Sohne, dessen Schenkelwunde 
sich verschlimmert habe und brandige Ränder zeige. Der Arzt habe 
die Vermutung geäußert, die Kugel werde eine giftige Substanz ent- 
halten haben. 
  
1 Bismarck war an diesem Tage an der königlichen Tafel und bemerkte, als 
er mit Roon und Rogge wegging: „Wir könnten eigentlich die Gelegenheit be- 
nutzen und den König hier gleichzeitig zum Kaiser von Deutschland und zum 
König von Frankreich krönen lassen; ich wüßte nicht, wer uns daran hindern 
sollte!“ Rogge, Bei der Garde 77. Dieselbe Bemerkung machte er schon am 
9. abends bei Roon im Beisein Waldemar Roons, s. dessen Brief vom 11. Sep- 
tember in Roons Denkwürdigkeiten III 4, 218. « 
2 Bismarck-Regesten I, 403 f.
	        
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