Full text: Tagebuchblätter. Erster Band. (1)

12. September Siebentes Kapitel 191 
gleiches zu erwarten. Darin liegt eine große Gefahr für die 
monarchisch regierten Länder Europas. Gegenüber jener Solidarität 
der revolutionären und republikanischen Interessen würde die sicherste 
Bürgschaft für die Sache der Ordnung und Zivilisation in einem 
festern Zusammenhalt der Elemente liegen, die, wie Deutschland, 
Rußland und Osterreich, dem monarchischen Prinzip noch einen 
sichern Halt gewähren. OÖsterreich ist aber nur hinzuzurechnen, 
sobald man dort erkennt, daß für Cisleithanien die bisherigen Ver- 
suche auf dem Gebiete liberaler Einrichtungen verfehlt sind, wie die 
nationalen Experimente in polnischer Richtung. Die Berufung des 
polnischen Litteraten Klazko in die Nähe des österreichischen Reichs- 
kanzlers, der dessen Stellung und Tendenz hinreichend gekannt hat, 
und die neusten Kundgebungen jenes Polen sind als Symptome 
der eignen Ansichten und Absichten Beusts zu betrachten. Dieses 
Zusammengehen mit den polnischen Revolutionären und die dabei 
zu Tage tretende Feindseligkeit gegen Rußland bildet für den deutschen 
Bundeskanzler ein wesentliches Hindernis guter Beziehungen zu 
OÖsterreich, indem wir darin zugleich eine Feindseligkeit gegen uns 
erblicken müssen. Daneben ist die Lage der außerungarischen Teile 
des österreichischen Doppelstaates zu erwägen, die nur durch eine 
konservative Politik überwunden werden kann. Osterreich kann nur 
durch ein offnes und vertrauensvolles Verhältnis zu dem geeinigten 
Deutschland und zu Rußland den Halt wiederfinden, dessen es gegen 
die revolutionären und zentrifugalen Elemente in seiner Mitte bedarf, 
und dessen es durch die verderbliche Politik des Grafen Beust ver- 
lustig gegangen ist. 
Der Brief des Prinzen Luitpold, der auf Grund dieser Vor- 
stellungen abging, hatte keinen Erfolg. Der Erzherzog Albrecht zeigte 
ihn zwar dem Kaiser, aber auch Beust, und gab eine von letzterm 
inspirierte Antwort, die im wesentlichen darauf hinauslief, daß Oster- 
reich, so lange nicht sein Interesse durch Anerbietung besondrer poli- 
tischer Vorteile von uns angeregt würde, kein Bedürfnis einer An- 
lehnung fühle. Wenn Preußen, wie es scheine, den Wunsch oder das. 
Bedürfnis einer Annäherung an Osterreich habe, so vermisse man 
bisher jede Außerung darüber, was Preußen dafür Osterreich, das 
vielseitige Interessen habe, zu bieten haben würde. Der Kaiser werde 
gern alles in Erwägung ziehen, was auf direktem Wege an ihn gelange.
	        
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