198 Siebentes Kapitel 16. September
Kanzler soll ihm geantwortet haben: „Über die Bedingungen eines
Friedens, ja, über die eines Waffenstillstandes, nein.“/1
Aus Briefen von Berliner Freunden ersehe ich, daß manchen
wohlmeinenden und patriotischen Leuten der Gedanke, das zu be-
haltende französische Gebiet nicht zu Preußen zu schlagen, nicht in
den Kopf will. Ein Schreiben Heinrich von Treitschkes in Heidel-
berg fürchtet, daß man das Elsaß und Deutsch-Lothringen Bayern
geben könne, und sieht daraus einen neuen Dualismus erwachsen.
Er meint in einer Zuschrift an den Chef, „daß allein Preußen die
Kraft besitzt, die deutschen Provinzen Frankreichs wieder zu ger-
manisieren, liegt ja auf flacher Hand.“ Er weist auf „die im
Norden allzuwenig beachtete Thatsache hin, daß alle vernünftigen
Männer im Süden das Elsaß in Preußens Händen zu sehen
wünschen,“ und erklärt: „Es ist ein großer Irrtum, wenn man im
Norden wähnt, den Süden mit Land und Leuten belohnen zu
müssen.“ Woher er das von dem Irrtume hat, weiß ich nicht.
Bei uns hegt ihn meines Erachtens niemand. Ich denke, man
meint hier, daß es genügt, wenn der Lohn des Südens in seiner
endlichen Sicherstellung gegen die französische Eroberungslust besteht.
Andre Gedanken des Briefschreibers könnten unter Umständen richtig
sein. Unzweifelhast richtiger und den obwaltenden Verhältnissen
entsprechender ist der von mir früher verzeichnete Gedanke unsers
Chefs, die Provinzen zu Reichsland und damit nicht zu einem
Gegenstande des Neides und der Verstimmung der Verbündeten
Preußens, sondern zu einem Vereinigungspunkte und Bindemittel
des Südens mit dem Norden zu machen.
Von Willisch höre ich, daß sich in Berliner Kreisen gewisse
Befürchtungen geltend machen, die ihren Ursprung in der Umgebung
der Königin haben sollen. Man will, durch Laon ängstlich ge-
worden, den König nicht in Paris einziehen sehen, da ihm dort
etwas passieren könne. Wrangel hat in diesem Sinne an ihn tele-
1 Dies war der Inhalt des Schreibens an Lord Lyons in Paris vom
15. September mit der Mitteilung einer Depesche an Graf Bernstorff in London
vom 12. September. Bismarck-Regesten I, 404.
2 Es ist Treitschkes Flugschrift: Was fordern wir von Frankreich? Datiert
Heidelberg, 30. August 1870, jetzt in der Sammlung: Zehn Jahre deutscher
Kämpfe 13, 321ff.