17. September Siebentes Kapitel 201
daß er in oder bei Donchery mit dem Kanzler davon gesprochen,
dieser aber dagegen Verwahrung eingelegt hat.
Sonnabend, den 17. September. Früh mit Willisch eine
Stunde spazieren gegangen, nach der grünen Marne hinab, wo
Weiber an einer großen öffentlichen Waschanstalt mit Schlägeln
Hemden und Bettzeug reinigen, nach der alten Brücke, über deren
einer Hälfte sich Mühlgebäude von mehreren Stockwerken erheben,
und nach der Vorstadt auf dem linken Ufer des Stroms. Am
Ende der Rue Cornillon folgt wieder eine Brücke, die aber gesprengt
ist. Sie hat über eine Schlucht oder einen tiefen Durchstich geführt,
durch den ein Kanal geht. Die Störung des Verkehrs, die die
Sprengung veranlaßt hat, ist von unsern Pontonieren schon inso-
fern wieder beseitigt, als nicht weit von dem Trümmersturz, der
den Kanal verschüttet hat, eine Notbrücke errichtet ist, über die
einzelne Reiter einer soeben ankommenden Schwadron bayrischer
Kürassiere einer nach dem andern passieren können.
Auf dem Rückwege begegnen wir einer großen Wagenkolonne
mit Armeevorräten, die von der Sprengungsstelle bis tief in die
Stadt hineinreicht. An einer Ecke finden sich mehrere Anschläge,
darunter eine meilenlange Ansprache Viktor Hugos an die Deutschen,
weinerlich und hochtrabend, empfindsam und pomphaft zugleich,
Rührei mit dicken Phrasenrosinen drin — echt französisch. Wofür
der komische Mann uns halten muß, wenn er meint, daß unsre
Pommern und Ostpreußen mit ihrem Menschenverstande solches
Gequassel mögen können. Ein Blusenmann, der es halb laut
neben mir las, sagte zu mir: Cest bien fait, Monsieur, n'est — ce
pas? Ich erwiderte, es thäte mir in der Seele leid, ihm sagen zu
müssen, daß es kompletter Unsinn wäre. — Was er da für ein
Gesicht machtel!2
Wir besuchen die Kirche, ein schönes altes Gebäude mit
vier Reihen gotischer Säulen, das in dem Kapellengang hinter
dem Chor einen in passendem Stil ausgeführten großen Anbau
erhalten hat. Zur Seite des Chors, rechter Hand, wenn man
1 Beide hatten dort am 3. September eine längere Unterredung über die
Kaiseridee und Elsaß. K. Friedrichs Tagebuch vom 3. September.
*? Aux Allemands. Abeken S. 416 nennt ihn „einen tollen Aufruf“; er
wurde am Abend des 16. September beim König von Fürst Radziwill vorgelesen.