214 Achtes Kapitel 19. September
Keudell und Bohlen wollten später wissen, dieses Urteil erkläre
sich daraus, daß sich der Chef in Reims mit Moltke überworfen habe.
Bohlen wollte ferner erfahren haben, daß in der zu Lagny
untergebrachten zweiten Staffel des großen Hauptquartiers offner
Zwiespalt ausgebrochen sei, und zwar wegen Rangstreitigkeiten.
Wenn der Graf sich nur diese frivole Manier, von regierenden Herr—
schaften zu reden, abgewöhnen wollte: Abeken errötet in einem fort
darüber, und mein Tagebuch, wenn ichs einschreibe, gleichermaßen.
Während des Essens hatten wir auch eine Probe von der
Gastlichkeit und dem Anstandsgefühl des Herrn Baron Rothschild
zu bewundern, dessen Haus der König mit seiner Gegenwart be-
ehrte, und dessen Besitz infolge dessen in jeder Weise geschont wurde.
Herr von Rothschild, der hundertfache Millionär und überdies bis
vor kurzem Generalkonsul Preußens in Paris, ließ uns durch seinen
„Regisseur“ oder Haushofmeister patzig den Wein verweigern, dessen
wir bedurften, wozu ich bemerke, daß dieser wie jede andre Lieferung
bezahlt werden sollte. Vor den Chezf zitiert, setzte der dreiste Mensch
seine Renitenz fort, leugnete erst ganz und gar, überhaupt Wein
im Hause zu haben, und gab dann zwar zu, daß er „ein paar
hundert Flaschen Petit Bordeaux im Keller habe“ — in Wahrheit
lagen etwa 17000 darin —, erklärte aber, uns davon nichts ab-
treten zu wollen. Der Minister machte ihm jedoch den Standpunkt
in sehr kräftiger Rede klar, hob hervor, was das für eine unartige
und filzige Art sei, mit der sein Herr die Ehre erwidere, die ihm
der König dadurch erwiese, daß er bei ihm abgestiegen sei, und
fragte, als der vierschrötige Patron Miene machte, sich wieder auf-
zubäumen, kurz und bündig, ob er wisse, was ein Strohbund sei.
Jener schien das zu ahnen; denn er wurde blaß, sagte aber nichts.
Es wurde ihm dann bemerkt, daß ein Strohbund ein Ding sei,
worauf halsstarrige und freche Regisseure so gelegt würden, daß
ihre Rückseite oben sei, und das weitere könne er sich vielleicht vor-
stellen. — Andern tags hatten wir, was wir verlangten, und auch
später kam meines Wissens keine Klage vor. Der Herr Baron
aber erhielt für seinen Wein nicht nur den geforderten Preis,
sondern, wie man hörte, obendrein Pfropfengeld, sodaß er an uns
noch etwas anständiges verdiente.
Ob das so geblieben ist, als wir fort waren, war mir eine