20. September Achtes Kapitel 217
Raum den Eindruck, als ob der Besitzer weniger an Schönheit und
Behagen als daran gedacht hätte, recht Teures zusammen zu stellen.
Läßt das Schloß hiernach ziemlich kalt, so verdienen die
Garten= und Parkanlagen alles Lob. Das gilt sowohl von den
Blumenbeeten vor der nördlichen Fassade mit ihren Statuen und
Springbrunnen, als, und zwar in noch höherm Grade, von den
vordern Partien des Parkes, der weiterhin zum Walde wird und
hier nur von geradlinigen Fahr= und Reitwegen durchschnitten ist,
von denen einige nach einem großen Vorwerke führen. Die vordern
Teile zeigen schöne fremdländische Bäume und geschmackvoll zusammen-
gestellte Gruppen von solchen und einheimischen, anmutigen Wechsel
von Wald, Wiese und Wasser und zuweilen überraschende Durch-
blicke durch Buschwerk und Wipfelkronen. Vor dem Schlosse flachen
sich Grasplätze, von Kieswegen durchschlängelt, nach einem Teiche
mit schwarzen und weißen Schwänen, türkischen Enten und anderm
buntem Geflügel ab. Jenseits des Wasserspiegels erhebt sich rechts
ein künstlicher Hügel, wo Schlangenpfade durch Strauchwerk und
Laub= und Nadelholz nach dem Gipfel führen. Links von dem
kleinen See kommt man an ein Gehege mit Hirschen und Rehen,
und weiterhin auf dieser Seite murmelt ein Bach zwischen hohen
Waldbäumen am Saum einer Lichtung. Auf den Wiesen vor der
Freitreppe weiden Schafe und gehen Hühner, denen sich zuweilen
Fasanen zugesellen, die auf den ferner gelegnen Blößen in ganzen
Trupps auftreten, und deren der Park vier= bis fünftausend be-
herbergen soll. Diesen guten Dingen gegenüber verfahren unfre
Soldaten, als ob das alles ungenießbar wäre, und doch haben sie
ohne Zweifel eine andre Ansicht und dazu mitunter einen gesunden
Hunger.
„Tantalus in Uniform!“ sagte ein mythologisch gestimmtes
Gemüt, als wir drei von den leckern Vögeln, die auch ohne Sauer-
kraut à la Rothschild, d. h. in Champagner gekocht, gut zu essen
sind, so nahe an einer seitab aufgestellten Schildwache vorbeiwandeln
sahen, daß sie von ihr mit dem Bajonett aufgespießt werden konnten.
1 Roon vom 21. September 1870: „Ich beschränke mich heute — darauf
anzuerkennen, daß dieser Landsitz des Judenkönigs mit viel größerm Luxus und
Aufwand ausgestattet ist als irgend ein fürstlicher Landsitz, den ich kenne.“
Denkwürdigkeiten III/4, 225.