Full text: Tagebuchblätter. Erster Band. (1)

22. September Achtes Kapitel 225 
wo es an ihm zu finden war. Die wenigen Deutschen, die in 
französische Gefangenschaft geraten sind, wissen davon zu erzählen, 
wie rasch die Fäuste ihrer Gegner die Uniform des Gefangnen auf— 
reißen und, wenn das Ledertäschchen zu fest sitzt, ohne Rücksicht auf 
die Haut des Patienten mit Säbel oder Messer hinein schneiden. 
Die Behauptungen über die Mißhandlungen der Gefangnen bei 
Sedan erklären wir für dreiste, willkürliche Lügen. Eine große 
Anzahl der französischen Gefangnen, vielleicht ein Viertel, war 
viehisch betrunken, da sie in den letzten Stunden vor der Kapitulation 
alle Wein- und Branntweinvorräte in der Stadt geplündert hatten. 
Daß betrunkne Leute schwerer zu handhaben sind als nüchterne, 
liegt auf der Hand, aber Mißhandlungen, wie die in dem Artikel 
erzählten, sind nach der Disziplin, die unter den preußischen Truppen 
herrscht, weder bei Sedan noch sonstwo vorgekommen. Daß diese 
Disziplin selbst die Bewunderung der französischen Offiziere erregt 
hat, ist bekannte Thatsache. Den gegnerischen Truppen können wir 
leider in dieser Beziehung nicht dasselbe gute Zeugnis ausstellen 
wie in betreff ihrer Tapferkeit im Feuer. Es ist den französischen 
Offizieren vielfach nicht gelungen, ihre Untergebnen von der Er— 
mordung Schwerverwundeter, die am Boden lagen, abzuhalten, und 
zwar ist das nicht nur bei den afrikanischen Truppen der Fall ge— 
wesen, selbst wenn einzelne höhere Offiziere die Bedrohten mit Gefahr 
ihres Lebens gegen die eignen Leute zu verteidigen versuchten. Die 
deutschen Gefangnen, die nach Metz gebracht wurden, sind bekanntlich 
mit Anspeien, Schlägen und Steinwürfen durch die Straßen geleitet 
worden, und bei ihrer Entlassung haben afrikanische Truppen ein 
Spalier gebildet und die Gefangnen mit Stöcken und Peitschen nach 
Art des Spießrutenlaufens durch ihre Glieder getrieben. Diese Vor— 
kommnisse können wir durch amtliche Protokolle nachweisen, die eine 
andre Bedeutung haben, als die anonymen Briefe des Herrn L. 
Aber ist dergleichen denn zu verwundern, wenn die Journale einer 
Stadt wie Paris, die jetzt unter dem heuchlerischen Vorwande der 
Zivilisation Schonung verlangt, ohne irgend welchen Widerspruch 
zu erfahren, dazu auffordern, den Verwundeten, die man nicht mit— 
nehmen könne, den Schädel zu spalten, oder wenn sie den Rat er— 
teilen, die Deutschen wie Wölfe zum Dünger der Felder zu benutzen? 
Die ganze mit dürftiger Kultur überzogne Barbarei der französischen 
Busch, Tagebuchblätter 1 15
	        
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