226 Achtes Kapitel 22. September
Nation ist in diesem Kriege zu voller Entwicklung gediehen, und
wenn der französische Ubermut früher sagte: Grattez le Russe et
vous trouverez le Barbare, so wird man niemand, der das Ver-
halten der Russen gegen ihre Feinde im Krimkriege und das der
Franzosen im jetzigen zu vergleichen imstande ist, darüber noch
zweifelhaft sein, daß diese Redensart auf die Franzosen zurückfällt."
„Schreiben Sie aber Bernstorff — sagte er, als wir fertig
waren —, ich verbäte mir solche Aufforderung zur Polemik mit
englischen Zeitungen für die Zukunft. Der Botschafter muß nach
eignem Urteile vorgehn."
Ich notiere für jetzt und künftig: 1. Man hält in England die
Schleifung der französischen Ostfestungen für genügend zu unfrer
Sicherung. Aber die Verpflichtung zur Abtragung von Festungs-
werken auf fremdem Gebiete konstituiert ein Servitut, das immer
verletzender ist als die Abtretung. 2. Man schließt dort oder will
schließen, daß Straßburg sich so lange gegen uns wehre, beweise
die Anhänglichkeit der Einwohner an Frankreich. Aber die Festung
Straßburg wird von französischen Truppen, nicht von der deutschen
Bürgerschaft verteidigt, die hartnäckige Verteidigung ist also kein
Ausfluß deutscher Treue.
Als wir bei der Suppe sitzen, kommt einer von der Hofdiener-
schaft und meldet, daß der Kronprinz sich für Diner und Nacht-
quartier habe ansagen lassen, womit er — der Sekretär, Fourier
oder was er sonst ist — das Verlangen verbindet, ihm für die
fünf Herren in der Begleitung Seiner Königlichen Hoheit das
Büreau und den großen Salon oben neben der Wohnstube des
Kanzlers einzuräumen. Der Chef antwortet: „Das Büreau, nein,
das geht nicht, wegen der Geschäfte.“ Dann stellt er das Zimmer,
wo er sich wäscht, zur Verfügung, will auch Blumenthal oder
Eulenburg in sein Schlafgemach nehmen. Den Salon aber brauche
er zum Empfange der französischen Unterhändler und wenn Fürsten
zu ihm kämen. Der Quartiermacher aus dem Hofvolk zog mit einem
langen Gesicht ab. Er hatte natürlich ein unbedingtes Ja für selbst-
verständlich gehalten. Später räsonnierte der dummdreiste Mensch
draußen auf dem Gange von „Unhöflichkeit“ und dergleichen mehr.
Als ob es nicht mehr als Unhöflichkeit wäre, den Chef jetzt, wo er
endlich einmal anständig unter Dach gebracht ist, aus dem, was er