Full text: Tagebuchblätter. Erster Band. (1)

22. September Achtes Kapitel 229 
Entschiedenheit und sagte, nächst Berlin wäre Leipzig die Stadt, in 
der mir am wohlsten wäre. Von Dresden hätte ich bisher, wenn 
jemand wissen gewollt, woher ich wäre, immer erwidert: „Mit Respekt 
zu vermelden oder salva venia, aus Dresden.“ Er erwiderte lächelnd: 
„Salwa venia!l — Das hätte ich nicht gedacht; Dresden ist doch 
eine so schöne Stadt.“ Ich gab ihm den hauptsächlichsten Grund 
an, weshalb es mir trotzdem dort nicht gefiele. Ich möchte die 
Denkart und die Manieren der Mehrzahl der Dresdner nicht. 
Ich fragte, ob wegen des Kanonen= und Gewehrfeuers, das 
man aus den Pariser Straßen gehört haben wollte, telegraphiert 
werden sollte. — „Ja — sagte er —, thun Sie das.“ — „Über die 
Besprechung mit Favre aber wohl nicht?“ — „Doch — und dann 
fuhr er fort —, Haute Maison bei — wie heißt es doch gleich? — 
Montry, erste, dann in Ferrieres denselben Abend zweite, dann den 
andern Mittag dritte Besprechung, aber sowohl wegen Waffenstill- 
stand als wegen Frieden ohne jeden Erfolg. Auch von seiten andrer 
französischer Parteien sind Unterhandlungen mit uns eingeleitet 
worden,“ worüber er sodann einige Andeutungen gab, aus denen zu 
schließen war, daß er damit die Kaiserin Eugenie gemeint hatte. 1 
Der Chef lobt den auf dem Tische stehenden Rotwein aus 
dem Schloßkeller, von dem er dann ein Glas trinkt. Er schilt dar- 
auf wieder auf das ungebührliche Benehmen Rothschilds und meint, 
der alte Baron hätte mehr Lebensart gehabt. Ich spreche von dem 
Fasanengewimmel im Park. Ob man da nicht eine Jagd anstellen 
werde? — „Hm — versetzte er —, es ist zwar verboten, im Park 
zu schießen; was will man aber machen, wenn ich hinaus gehe und 
ein paar hole? Arretieren is nich; denn da haben sie niemand, der 
den Frieden besorgt.“ — Er kommt später auf die Jagd überhaupt 
zu reden. — „Wenn ich jetzt mit dem König in Letzlingen jage, so 
ists der alte Wald unfrer Familie. Burgstall ist uns von den 
Hohenzollern abgedrückt worden — vor dreihundert Jahren — rein 
aus Jagdneid. Es gab damals dort wohl noch einmal so viel 
Wald als jetzt. Zu der Zeit war es nicht viel wert, mit Aus- 
nahme der Jagd. Heutzutage ist es Millionen wert. — Sie habens 
1 Gemeint sind die Verhandlungen durch einen wie es scheint freiwilligen 
Agenten, Régnier, den Bismarck am 20. September zweimal empfing und bei der 
Abreise nach Deutschland mit einem Geleitschein versah. Bismarck-Regesten 1, 404f. 
 
	        
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