Full text: Tagebuchblätter. Erster Band. (1)

230 Achtes Kapitel 22. September 
uns damals mit allerlei Zwang und Gewaltthat abgepreßt. — Rechts- 
verletzungen, Einsperrung bei salzigen Speisen ohne Getränk, als 
der Besitzer nicht wollte. Die Entschädigung war unbedeutend — 
nicht der vierte Teil des Wertes, und jetzt ists fast ganz zu Wasser 
geworden,“ u. s. w. 
Ein andrer Gegenstand brachte ihn auf Schützengeschicklichkeit, 
und er berichtete, wie er als junger Mann ein so gutes Pistol 
gehabt, daß er damit Papierblätter auf hundert Schritt getroffen 
und Enten auf dem Teiche die Köpfe abgeschossen habe. 
Er erzählte dann, daß er heute Tresckow seine Not „über 
schlechtes und kärgliches Essen“ an der königlichen Tafel geklagt 
habe, „wozu er ein sehr spitzes Gesicht machte. — Wenn ich aber 
tüchtig arbeiten soll, so muß ich gut gefuttert werden. Ich kann 
keinen ordentlichen Frieden schließen, wenn man mir nicht ordentlich 
zu essen und zu trinken giebt. Das gehört zu meinem Gewerbe. 
Und so esse ich lieber zu Hause." 
Die Unterhaltung lenkt — ich weiß nicht mehr, wie — auf 
die alten Sprachen ab. „Als ich Primaner war — sagte er —, 
da konnte ich recht gut lateinisch schreiben und sprechen; jetzt sollte 
es mir schwer fallen, und das Griechische habe ich ganz vergessen. 
Ich begreife überhaupt nicht, wie man das so eifrig betreiben kann. 
Es ist wohl bloß, weil die Gelehrten nicht im Werte mindern wollen, 
was sie selbst mühsam erworben haben.“! 
Ich erlaubte mir an die disciplina mentis zu erinnern und 
bemerkte, die zwanzig oder dreißig Bedeutungen der Partikel &r 
wären doch auch etwas sehr Schönes für den, der sie an den Fingern 
herzählen könne. Der Chef entgegnete: „Ja, aber das ist im Rus- 
sischen, wenn man an die disciplina mentis beim Griechischen denkt, 
doch noch viel schöner. Man könnte statt des Griechischen gleich 
das Russische einführen; das hätte auch einen unmittelbaren prak- 
1 Fürst Bismarck hat nicht immer so geurteillt. Zu Horst Kohl sagte er 
z. B. am 11. Mai 1892 in Friedrichsruh: er lege auf das Griechische vielen Wert, 
da es das Kennenlernen der von tiefer Weisheit erfüllten Werke der altklassischen 
griechischen Schriftsteller ermögliche. Poschinger, Neue Tischgespräche und Inter- 
views I, 214. Aus bloßer Höflichkeit gegen den Schulmann hat er das schwerlich 
gesagt, andrerseits darf man aus jeder gelegentlich hingeworfnen, in einem ge- 
wissen Zusammenhange gefallnen Außerung nicht den Ausdruck einer tiefen Über- 
zeugung machen wollen. 
 
	        
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