Full text: Tagebuchblätter. Erster Band. (1)

238 Achtes Kapitel 26. September 
den Muränen zu verwechseln, und den Forellen den Vorzug, von 
denen er in den Gewässern bei Varzin sehr schöne hat. Von den 
großen Forellen, die in Frankfurt am Main bei Gastereien eine 
Rolle spielen, denkt er gering. Sonst mag er die Seefische lieber, 
und unter diesen zieht er den Dorsch allen andern vor. „Doch ist 
auch eine gut geräucherte Flunder nicht übel, und selbst den ganz 
gemeinen Hering möchte ich, wenn er frisch ist, nicht verachtet 
wissen.“ Man geht zu dem Kapitel Austern über, wobei der Minister 
sagt: „Ich habe mir um die Bewohner von Aachen in meinen jungen 
Jahren ein Verdienst erworben wie Ceres durch Erfindung des 
Ackerbaues um die Menschheit, nämlich dadurch, daß ich sie lehrte, 
Austern zu braten.“ Lauer fragt nach dem Rezept, das ihm darauf 
mitgeteilt wird. Wenn ich recht verstand, bestreut man die Tiere 
mit geriebner Semmel und Parmesankäse und bratet sie in ihrer 
Schale auf einem Kohlenfeuer. Ich blieb dabei im stillen bei 
meinem Glauben: Die Auster und die Kochkunst haben nichts mit ein- 
ander gemein. Frisch und ohne Zuthat — das ist das einzige Rezept. 
Der Chef redete dann noch Unterschiedliches über Waldbeeren, 
Bick-, Krons= und Moosbeeren, als genauer Kenner, desgleichen 
über die große Familie der Pilze, von denen er vorzüglich in Esth- 
und Finnland viele und sehr gute angetroffen habe, die bei uns 
unbekannt seien. Er sprach hierauf vom Essen überhaupt und be- 
merkte scherzhaft: „In unfrer Familie sind lauter starke Esser. 
Wenn viele von solcher Kapazität im Lande wären, könnte der Staat 
nicht bestehen. Ich würde auswandern.“ Ich erinnerte mich dabei, 
daß auch Friedrich der Große auf diesem Gebiete viel vermocht hat, 
und ebenso Goethe, dem Tafelgenüsse oft Herzenssache gewesen seien. 
In seinem Briefwechsel mit der Frau von Stein ist häufig vom 
Essen die Rede; er erbittet sich von der Geliebten Schwartenmagen 
und Bratwurst, und in seiner Korrespondenz mit Nikolaus Meyer 
spielen die Bedürfnisse und Schöpfungen der Küche gleichfalls eine 
wichtige Rolle. 
Die Unterhaltung wandte sich dann militärischen Dingen zu, 
und der Minister äußerte u. a., die Ulanen wären doch die beste 
Reiterei. Die Lanze gebe dem Manne großes Selbstvertrauen. 
Man behaupte, sie hindre im Busch, das sei jedoch irrig; im 
Gegenteil, sie sei ganz gut zum Wegbiegen der Zweige. Er wisse
	        
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