Full text: Tagebuchblätter. Erster Band. (1)

252 Achtes Kapitel 29. September 
hältnisse, die sich aus der Waffengemeinschaft während des Kriegs 
im Sinne eines dauernden engern Zusammenschlusses auch im Frieden 
entwickeln könnte, ist aus dem auch in dieser Hinsicht sehr zuver— 
sichtlichen Tone der Presse kein Schluß zu ziehen. Daß Bray 
gegen einen Eintritt in den Nordbund sein würde, ist selbstver— 
ständlich. Aber auch andre einflußreiche Persönlichkeiten denken nicht 
daran, oder sehen doch die tüchtige Mitwirkung der Bayern bei den 
deutschen Siegen weniger als den Weg zu größerer Einigung Deutsch— 
lands, als im Lichte einer Probe der Kraft Bayerns und einer 
Befestigung seiner vollen Selbständigkeit an. Die nicht ultramon— 
tanen Partikularisten nehmen ungefähr denselben Standpunkt ein. 
Sie sind erfreut über unsre Erfolge und stolz auf den Anteil, den 
Bayern daran hat. Sie bewundern die preußische Kriegführung 
und wollen wie wir Sicherstellung Deutschlands gegen fernere An— 
griffe von Westen her. Von einem Anschluß Bayerns an den Nord— 
deutschen Bund, wie er jetzt gestaltet ist, mögen sie nichts wissen. 
In diesen Kreisen wird auch über die Verteilung der eroberten fran— 
zösischen Gebietsteile vielfach gesprochen. Gern würden sie das 
Elsaß mit Baden vereinigt sehen, vorausgesetzt, daß dafür die badische 
Pfalz an Bayern abgetreten würde. Bedenken erregt den Ein— 
sichtigen, daß Baden und vermutlich auch Württemberg nach dem 
Frieden die Vereinigung mit dem zum Bundesstaat organisierten 
Norden verlangen werden. Die Ultramontanen sind noch die Alten, 
obgleich sie aus Furcht ihre Gedanken nicht laut werden lassen. 
Zum Glück haben sie alles Vertrauen auf Osterreich verloren, 
sodaß es ihnen an einer Stütze mangelt, während andrerseits die 
Bayern, die im Felde stehen, eine ganz andre Meinung von den 
Preußen gewonnen haben, als sie vor dem Kriege hatten. Sie 
sind des höchsten Lobes voll über die Kameraden aus dem Norden, 
und zwar nicht bloß wegen deren militärischen Eigenschaften und 
Leistungen, sondern auch wegen ihrer Bereitwilligkeit, mit ihren 
Vorräten auszuhelfen, wenn sie damit früher oder reichlicher ver- 
sehen worden sind als die Bayern. Mehr als einer hat nach Hause 
geschrieben, daß ihre Geistlichen sie in Bezug auf die Preußen an- 
gelogen hätten. Es sei nicht wahr, daß diese alle lutherisch seien. 
Viele seien Katholiken, und man habe sogar Feldpatres bei ihnen 
gesehen. Da die Offiziere ähnlich denken, so wird die zurückkehrende
	        
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