Full text: Tagebuchblätter. Erster Band. (1)

258 Achtes Kapitel 4. Oktober 
hat,“ begrüßt, und Keudell sagt später Ahnliches. Er, Bucher, 
scheint als Ersatz für Abeken herbeizitiert worden zu sein, der nach 
Hause gehn sollte, sich aber wieder erholt hat und nur noch zur 
Fastendiät genötigt ist. Niemand hätte seine Stelle besser aus- 
gefüllt als B., der unzweifelhaft der kenntnisreichste, verständnis- 
vollste und unbefangenste unter allen den höhern Arbeitern ist, die 
den Chef umgeben und seine Gedanken expedieren. Die Herren 
sind mit der Eisenbahn bis Nanteuil gefahren, haben in La Ferte, 
wo die Sprengung noch nicht beseitigt ist, übernachtet und essen 
abends mit uns. 2 
Dabei kommt der Kanzler wieder auf Moltke zu sprechen, und 
wie der neulich tapfer bei der Sherrypunschbowle ausgehalten und 
vergnügter wie je gewesen sei. Jemand bemerkt, der General sehe 
wirklich jetzt recht wohl aus. „Ja — sagte der Chef —, auch ich 
habe mich lange nicht so gut befunden als jetzt. Das macht der 
Krieg — und besonders bei ihm. Es ist sein Gewerbe. Ich er- 
innere mich, wie er, als die spanische Frage brennend wurde, gleich 
zehn Jahre jünger aussah. Dann, wie ich ihm sagte, der Hohen- 
zoller habe verzichtet, wurde er sofort ganz alt und müde. Und 
als die Franzosen sich damit nicht zufrieden gaben, war Moltke 
auf einmal wieder frisch und jung. Zuletzt endete die Sache mit 
einem Diner à trois — Moltke, ich und Roon — wobei das Emser 
Telegramm herauskam.“3 
  
1 Mit Bezug auf seine Teilnahme an den Verhandlungen über die spanische 
Thronfrage, s. oben S. 30f. 
2 BuMcher verließ Berlin am 30. September, erreichte 1. Oktober Weißen- 
burg, 3. Oktober Chalons. Poschinger, Tischgespräche und Interviews II, 50. 
Er wurde besonders berufen, weil die Verhandlungen über den Eintritt der süd- 
deutschen Staaten in den Nordbund begannen, und er schon immer die deutschen 
Angelegenheiten bearbeitet hatte. 
3 G. u. E. II, 87 ff. 92. Auch Poschinger, Bismarck und die Parla- 
mentarier II, 129 f.: Bismarck hat darüber ausführlich erzählt: „Als ich die 
Depesche — in der ursprünglichen Fassung Abekens — verlesen hatte, ließen 
Roon und Moltke gleichzeitig Messer und Gabel fallen und rückten vom Tische 
ab... Wir waren alle tief niedergeschlagen, wir hatten die Empfindung: die 
Sache verläuft im Sande. Ich setzte mich an einen kleinen Marmortisch 
las die Depesche aufmerksam durch, nahm meinen Bileistift .. ließ aber nur 
Kopf und Schwanz stehen. Nun sah die Depesche allerdings etwas anders aus. 
Ich las sie in der neuen Fassung Moltke und Roon vor. Die beiden riefen:
	        
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