Full text: Tagebuchblätter. Erster Band. (1)

5. Oktober Neuntes Kapitel 261 
prinz mit Gefolge, der dem König entgegengeritten war. Dieser sollte 
hier ebenfalls zu Pferde steigen, um eine Truppenbesichtigung! vor- 
zunehmen. Der Kanzler begleitete ihn dabei. Wir fuhren allein 
weiter. 
Der Weg mündete nicht weit von hier in eine Chaussee, die 
höher hinauf nach dem Dorfe Villeneuve Le Roi führte, wo einige 
Bauern, meist alte Leute, zurückgeblieben waren, und wo wir in 
einem Gehöft vor dem Düngerhaufen rasteten, um das mitgebrachte 
kalte Frühstück zu verzehren.? Aus der Mauer des Hauses fließt 
ein klarer Brunnenstrahl, über dem eine Tafel besagt, daß der 
Sieur & und Frau an dem und dem Tage dieses Wasser gefunden 
und es durch eine Röhre dem Publikum zugänglich gemacht haben. 
Darunter steht ungefähr: „Die Wohlthäter werden vergessen, ihre 
Wohlthaten bleiben.“ Ein Weißbart in der landesüblichen Bluse 
und der hohen grauen Zipfelmütze des französischen Landvolks 
schlurrte auf Holzschuhen heran, klopfte mir auf die Schulter und 
fragte, ob das nicht hübsch gesagt sei, und ich erfuhr dann von 
ihm, daß er selbst die männliche Hälfte des Wohlthäterpaares war, 
das die Tafel der vergeßlichen Nachwelt zu dankbarem Andenken 
empfiehlt. 
Man muß sein Licht nicht unter den Scheffel stellen, sagte 
der Franzose, da setzte er sich selber ein Denkmal. 
Weiterhin passierten wir ein zweites Dorf, wo ein Lager aus 
Strohbaracken war. Die Wachen an der Straße hatten Schilder- 
häuser, die aus zwei ausgehobnen Thüren, einer weißen Jalousie 
als Rückwand und einem Strohbündel als Dach konstruiert waren. 
Preußische Infanterie harrte, in Bataillonen gelagert, ihres könig- 
lichen Feldherrn am Wege. Ein Stück davon lagerte auf einem 
Felde neben einem Wäldchen eine Kavalleriedivision — grüne, 
braune und rote Husaren, Ulanen und Kürassiere. 
Lange schon hatte ich auf einen Blick gehofft, der mir Paris 
zeigen sollte. Aber auf der Seite rechts, wo es liegen mußte, ver- 
sperrte ein ziemlich hoher bewaldeter Hügelzug, an dessen Flanken 
dann und wann ein Dorf oder ein weißes Städtchen zu bemerken 
  
1 des VI. Armeekorps, Verdy 201. 
* Verdy 201.
	        
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