268 Neuntes Kapitel 6. Oktober
ziehender Bataillone, die man beinahe täglich auch bei uns hörte,
und ebenso wenig an den Lärm, den die Ausfälle verursachten, die
zweimal von den Parisern in der Richtung zu uns her unternommen
wurden, ja nicht einmal an die hitzigsten Tage des Bombardements,
an das man sich gewöhnte wie der Müller an das Klappern und
Rauschen seiner Räder. Ich meine vorzüglich die vielen Besuche
der mannigfaltigsten Art, die der Kanzler in diesen ereignisvollen
Monaten empfing, und unter denen sich auch unwillkommne be-
fanden. Manche Stunde glich unser Haus einem Taubenschlage,
so viele Bekannte und Fremde gingen ein und aus. Von Paris
kamen erst nichtoffizielle Horcher und Postenträger, später in Favre
und Thiers offizielle Unterhändler, zuweilen mit mehr oder minder
zahlreichen Begleitern. Aus dem „Hotel des Reservoirs“ erschienen
Fürstlichkeiten. Wiederholt war der Kronprinz, einmal auch der
König da. Auch die Kirche war unter den Besuchern durch hohe
Würdenträger, Erzbischöfe und andre Prälaten, vertreten. Berlin
schickte Reichstagdeputationen, einzelne Parteiführer, Bankiers und
höhere Beamte, von Bayern und aus andern süddeutschen Staaten
stellten sich Minister zum Abschluß von Verträgen ein. Die amerika-
nischen Generale, Mitglieder der fremden Diplomatie in Paris,
darunter auch ein schwarzer Gentleman, Sendboten der imperia-
listischen Partei, wünschten den vielbeschäftigten Staatsmann oben
in der kleinen Stube zu sprechen, und daß auch die Neugier der
englischen Reporter sich an ihn heranzudrängen versuchte, versteht
sich wohl von selbst. Dabei Feldjäger mit gefüllten oder auf Füllung
wartenden Depeschensäcken, Kanzleidiener mit Telegrammen, Ordon-
nanzen mit Nachrichten vom Generalstabe und über dem allen
Arbeiten, die ebenso schwierig als wichtig, vollauf, Erwägen,
Schaffen, Auskunftsuchen bei Hemmungen, Verdruß und Arger,
getäuschte Erwartungen, die wohlberechtigt gewesen waren, Mangel
an Unterstützung und Entgegenkommen da und dort, thörichte Ur-
teile der deutschen Zeitungen, ihre Ungenügsamkeit trotz vorher nie
geträumter Erfolge, Wühlereien der Ultramontanen — kurz, es
war mitunter schwer zu begreifen, wie sich der Kanzler unter all
diesen Ansprüchen an seine Arbeitskraft und Geduld, unter diesen
Störungen und Reibungen im großen und ganzen seine Gesundheit
— er war in Versailles nur ein oder zwei mal drei oder vier Tage