Full text: Tagebuchblätter. Erster Band. (1)

7. Oktober Zehntes Kapitel 277 
erwiderte er, das würde gehen, aber dann müsse er bitten, ihn nach 
Tours reisen zu lassen, da er zu einer solchen Maßregel die Er— 
mächtigung seiner Regierung bedürfe. Das konnte ich ihm freilich 
nicht versprechen, auch würde man ihm dort die gewünschte Er— 
laubnis schwerlich erteilen. — Vermutlich denken die (in Tours), 
es ist ihre (der Versailler) Pflicht, zu verhungern, damit wir mit 
verhungern. Aber sie überlegen sich nicht, daß wir die Stärkern 
sind und uns nehmen, was wir brauchen. Sie haben überhaupt 
keine Vorstellung, was der Krieg ist." 
Man kam ferner auf den Zusammentritt einer konstituierenden 
französischen Versammlung in Versailles zu sprechen, und es wurde 
die Möglichkeit bezweifelt. Es gäbe hier keinen Saal, dessen Größe 
genügte, da das Schloß mit Verwundeten belegt sei. Die Ver- 
sammlung von 1789 sei als Ganzes wohl zuerst in einer Kirche 
zusammengekommen, sonst habe man nach den drei Ständen an ver- 
schiednen Orten getagt. Zuletzt wären die Herren allerdings im 
Ballsaal vereinigt gewesen; der existiere aber nicht mehr.)) Dann 
sprach der Minister vom Schlosse mit seinem Parke, wobei er die 
schöne Orangerie an der Terrasse mit den beiden mächtigen Frei- 
treppen lobt, die links vom Platze hinter dem Palais hinabführt. 
Er meinte indes: „Was sind diese Bäume in Kübeln doch gegen 
die Orangenhaine in Italien!“ 
Die Nachbarschaft zwischen dem Schlosse und dem Hotel des 
Reservoirs lenkte dann das Gespräch auf die darin untergebrachten 
vornehmen Gäste, und der Kanzler äußerte unter anderm in betreff 
dieser Fürstenschar: „Sie hatten da nichts Ordentliches, vielleicht 
weil sie dachten, die Hoheiten wollten es umsonst haben.“ 
Zuletzt brachte jemand das Thema der Toleranz aufs Tapet, 
und der Kanzler äußerte sich zunächst wie in St. Avold. Er erklärte 
sich in sehr entschiednen Worten für Duldsamkeit in Glaubenssachen. 
„Aber — so fuhr er fort — die Aufgeklärten sind auch nicht tolerant. 
Sie verfolgen die, die gläubig sind, und zwar nicht mit Scheiter- 
haufen — denn das geht nicht — aber mit Spott und Hohn in 
der Presse, und im Volke, soweit es zu den Nichtgläubigen gehört, 
  
*) Ein Irrtum, s. u. Doch faßt diese Lokalität keine sehr große Ver- 
sammlung.
	        
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