Full text: Tagebuchblätter. Erster Band. (1)

7. Oktober Zehntes Kapitel 279 
wohl gethan mit seiner Stille nach dem Gewühl und Geräusch der 
Londoner Werkeltage, wo der Spektakel schon früh losginge. „Im 
Gegenteil, ich thue als Gutsherr dafür, was ich kann. Nur will 
ich nicht, daß man die Leute zwinge. Jeder muß wissen, wie er 
sich am besten aufs künftige Leben vorbereitet. — Sonntags sollte 
nirgends gearbeitet werden, nicht so sehr, weil es unrecht ist gegen 
Gottes Gebot, als der Menschen wegen, die Erholung haben müssen. — 
Das gilt freilich nicht vom Staatsdienste, besonders nicht vom diplo— 
matischen, wo auch Sonntags Depeschen und Telegramme kommen, 
die erledigt sein wollen. — Auch dagegen ist nichts zu sagen, daß 
unsre Bauern in der Ernte, wenn es lange geregnet hat und es 
Sonnabends schön Wetter werden will, ihr Heu oder Korn des 
Sonntags einbringen. Ich würde es nicht übers Herz bringen, das 
meinen Pächtern etwa im Kontrakt zu untersagen. Ich selber kann 
mir das gestatten, da ich den etwaigen Schaden eines Montags- 
regens mit ansehen kann. Auch gilt es bei unsern Gutsbesitzern 
für unanständig, selbst in solchen Notfällen die Leute am Sonntag 
arbeiten zu lassen." 
Ich erwähnte, daß fromme Leute in Amerika des Sonntags 
nicht einmal kochen ließen, in Newyork sei ich da einmal zu Tisch 
gebeten worden, und es habe nur kalte Speisen gegeben. 
„Ja — versetzte der Chef —, in Frankfurt, als ich noch freier 
war, haben wir Sonntags auch immer ganz einfach gegessen, und 
ich habe niemals anspannen lassen, der Leute halber.“ Ich erlaubte 
mir noch die Bemerkung, daß in Leipzig den Sonntag alle Geschäfte, 
mit Ausnahme der Bäcker= und mancher Cigarrenläden, geschlossen 
wären. „Ja, so sollte es auch sein — sagte er —, doch wollte ich 
niemand zwingen. Ich könnte es auf dem Lande vielleicht so thun, 
daß ich nichts von ihm kaufte — er müßte denn alles besonders 
gut haben, wo ich nicht weiß, ob ich mich dazu überwände. Dafür 
aber müßte gesorgt werden, daß lärmende Geschäfte, z. B. Schmieden, 
des Sonntags in der Nähe von Kirchen nicht arbeiteten.“ 
Abends wurde ich zu ihm gerufen. Da schreibt mir Thile,) 
es stünde in der Norddeutschen ein schrecklicher Artikel gegen die 
Katholiken. Ist der von Ihnen?“ 
  
*) Damals Staatssekretär im Auswärtigen Amt und nicht katholisch.
	        
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