Full text: Tagebuchblätter. Erster Band. (1)

284 Zehntes Kapitel 10. Oktober 
eine bloße schmale Mauer. Eine Strecke weiterhin kamen wir zwar 
wieder auf ein Stück mit Platten, aber dann gabs wieder nur die 
unsichre Mauer. Da faßte ich mir ein Herz, schritt rasch auf sie 
zu, faßte sie mit dem einen Arm und sprang mit ihr in die vier 
bis fünf Fuß tiefe Rinne hinunter. Aber die unten, die uns nun 
plötzlich nicht mehr sahen, hatten die größte Angst, bis wir endlich 
drüben wieder erschienen.“ 
Ein ander mal hatte er mit einigen Begleitern bei einer Tour 
in der Schweiz — wenn ich nicht irre, bei einem Ausfluge nach 
dem Rosenlauigletscher — einen schmalen Grat passieren müssen. 
Eine Dame und der eine ihrer beiden Führer waren schon drüben 
gewesen. Nach ihnen kam ein Franzose, dann Bismarck und hierauf 
der andre Führer. „In der Mitte der Kante sagte der Franzose: 
Je ne peux plus und wollte durchaus nicht weiter. Ich war 
gleich hinter ihm und fragte den Führer: Was machen wir 
nun? — „Steigen Sie über ihn weg, dann schieben wir ihm die 
Alpenstöcke unter die Arme und tragen ihn hinüber. — „ Sehr 
schön — sagte ich —, aber ich steige nicht über ihn hinweg; denn 
der Mann ist krank und packt mich in seiner Verzweiflung, und wir 
fallen beide hinunter. — „ Nun, so drehen Sie um.% — Das war 
schwer genug, aber ich versuchte es, und es ging, und nun machte 
er das Manöver mit den Alpenstöcken mit Hilfe des andern Führers.“ 
Ich erzählte meinen Ritt über die böse Stelle auf der Kaki 
Skala zwischen Megara und Korinth. Er hatte etwas Gefähr- 
licheres, ich weiß nicht mehr, wo, im Gebirge erlebt. Es war wie 
dort auf einem schmalen Rande gewesen, neben dem es auf der 
einen Seite schroff hinauf und auf der andern senkrecht in die Tiefe 
gegangen war. „Alber diesen kaum zwei Ellen breiten Weg wollte 
ich mit meiner Frau hinweg. An einer Stelle war das Erdreich 
teils hinabgerutscht, teils unsicher. Ich sagte: ?Ich werde voraus- 
gehen, mich an den Sträuchern an der Wand zur Seite festhalten 
und untersuchen. Wenn ich feststehe, kommst du nach.# Ich unter- 
suche eben die bedenkliche Stelle, da kommt sie an der Wand hinter 
mir durch und umfaßt mich und hängt sich an mich. Ich erschrak 
fürchterlich, aber zum Glück hielt der Strauch, und wir kamen auf 
sichern Boden. Aber ich hätte sie gleich prügeln mögen; denn mich 
kann nichts mehr ärgern, als wenn man mich erschreckt."
	        
Waiting...

Note to user

Dear user,

In response to current developments in the web technology used by the Goobi viewer, the software no longer supports your browser.

Please use one of the following browsers to display this page correctly.

Thank you.