Full text: Tagebuchblätter. Erster Band. (1)

14. Oktober Zehntes Kapitel 293 
Er sagte im Büreau: „Was haben wir heute für einen?“ — „Den 
14., Exzellenz.“ — „So, da war Hochkirch und Jena. Das sind 
preußische Unglückstage. Da muß man keine Geschäfte abschließen.“1 
Auch wird zu beachten sein, daß wir heute Freitag haben. 
Während des Diners bemerkte der Chef, nachdem er einen 
Augenblick nachgesonnen hat, lächelnd: „Ich habe einen Lieblings- 
gedanken in bezug auf den Friedensschluß. Das ist, ein inter- 
nationales Gericht niederzusetzen, das die aburteilen soll, die zum 
Kriege gehetzt haben — Zeitungsschreiber, Deputierte, Senatoren, 
Minister.“ Abeken setzt hinzu, auch Thiers gehöre mittelbar dahin, 
und zwar ganz vorzugsweise, wegen seiner chauvinistischen Geschichte 
des Konsulats und des Kaiserreiches. — „Auch der Kaiser, der doch 
nicht so unschuldig ist, wie er sein will,“ fährt der Minister fort. 
„Ich dachte mir von jeder Großmacht gleichviel Richter, von Amerika, 
England, Rußland u. s. w., und wir wären die Ankläger. Indes 
werden die Engländer und Russen darauf nicht eingehen, und da könnte 
man das Gericht aus den Nationen, die davon am meisten gelitten 
haben, zusammensetzen, aus französischen Deputierten und Deutschen.“ 
— Er äußerte ferner: „Ich habe den Artikel der Indépendance, der 
von Gramont sein soll, gelesen. Er tadelt, daß wir Napoleon beie 
Sedan nicht entlassen haben, und es gefällt ihm nicht, daß man 
auf Paris marschiert ist, statt bloß Elsaß und Lothringen als Pfand 
besetzt zu halten. Ich dachte erst, er wäre von Beust oder einem 
andern guten Freunde in Osterreich. Aber ich habe mich doch über- 
zeugt, daß er einen Franzosen zum Verfasser hat.“ Er gab die 
Gründe dafür an und fuhr dann fort: „Er hätte Recht, wenn seine 
Voraussetzung richtig wäre, daß ich eigentlich das Elsaß nicht wollte, 
nur eine Geldentschädigung. So aber ists doch besser, wenn wir 
außer dem Elsaß auch noch Paris als Pfand haben. Wenn man was. 
Ordentliches will, kann man das Pfand nicht groß genug nehmen.“ 
Man erwähnt Boyer, der mit seiner jetzt hier lange nicht ge- 
sehenen französischen Generalsuniform in der Stadt viel Aufsehen 
gemacht hat und von den Volksmassen mit Vive la France! begrüßt 
worden ist, und es wird erzählt, daß er sich dahin ausgesprochen 
  
1 Gesprochen hat er aber an diesem Tag noch den General. Bismarck- 
Regesten I, 406.
	        
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