Full text: Tagebuchblätter. Erster Band. (1)

16. Oktober Zehntes Kapitel 299 
tarisches Verhalten gewöhnt ist, schwieg, ließ mich reden und stimmte 
dann bei. Moltke mit seinem Raubvogelprofil, das immer raub— 
vogelartiger wurde, schien auch zuzuhören. Als ich aber fertig war, 
brachte er etwas ganz und gar andres vor, woraus ich sah, daß 
er auf meine Auseinandersetzung gar nicht acht gegeben, sondern ganz 
andre Gedanken für sich ausgesponnen hatte. — Moltke ist ein sehr 
gescheiter Kopf, und ich bin überzeugt, er hätte anfangen können, 
was er wollte, er würde etwas Respektables geworden sein. So 
aber hat er sich jahrelang immer nur mit einem und demselben be- 
schäftigt, und so hat er auch nur dafür Sinn und Interesse. — Ich 
war sehr verdrießlich darüber, so in den Wind gesprochen zu haben. 
Ich rächte mich aber. Statt es ihm nochmals auseinander zu setzen, 
sagte ich zu Roon: ? Sie haben Ihre Meinung abgegeben, also sind 
Sie mir bei meinem Vortrage gefolgt. Haben Sie nun die Güte, 
die Angelegenheit noch einmal zu entwickeln." 
Über seine Unterhandlungen mit Boyer und deren Aussichten 
ließ er nichts verlauten. Auch Hatzfeldt und Keudell wußten davon 
nichts und rieten bloß. 
Sonntag, den 16. Oktober. Früh wieder einen Brief von 
Bamverger, der von Lausanne schreibt, erhalten. Er mißbilligt das 
Verfahren gegen Jacoby und meint, Bismarck könnte thun, was er 
wollte, wenn er nur gesunde deutsche Polit#k triebe, d. h. „wenn in 
diesem Augenblicke wenigstens der einheitliche deutsche Bundesstaat 
fix und fertig gemacht würde.“ „Man ist — fährt er fort — in 
Deutschland so fest überzeugt davon, daß diese Lösung jetzt in der 
Hand des Bundeskanzlers liegt, daß jeder Widerstand von der 
öffentlichen Meinung auf seine Rechnung geschrieben wird. Man sagt 
sich, wenn Graf Bismarck diesen Widerstand nicht heimlich ermutigte, 
so würde er vor der Größe des Augeublicks sich nicht zu regen 
wagen.“ Schließlich die Anfrage, ob er herkommen solle. Auf 
Bambergers Wunsch legte ich die Hauptstellen des Schreibens dem 
Minister vor, und derselbe äußerte, die Herkunft Bambergers würde 
ihm ganz erwünscht sein, da uns seine Lokalkenntnis in Paris, wenn 
  
durch einen Waffenstillstand um das Ergebnis unfrer Mühen und Opfer bringen 
lassen.“ Auch Abeken scheint eine politische Verständigung mit Bazaine nicht 
ganz für unmöglich gehalten zu haben. S. 438.
	        
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