24. Februar Erstes Kapitel 3
er bemerkte, er habe mich eigentlich länger sprechen wollen, müsse
sich aber für jetzt darauf beschränken, meine persönliche Bekanntschaft
zu machen. „Denn — so fuhr er fort — ich habe wenig Zeit übrig.
Ich bin heute im Reichstage durch lange unerfreuliche Reden mehr
aufgehalten worden, als ich hoffte. Dann habe ich hier (er zeigte
auf den Aktenstoß) Depeschen zu lesen, ebenfalls gewöhnlich nichts,
was Vergnügen macht. Und um neun Uhr muß ich zu Hofe, was
auch wenig Erfreuliches hat. Was haben Sie denn bisher ge—
trieben?“
Ich erwiderte: „Ich habe die Grenzboten redigiert — ungefähr
ein nationalliberales Blatt, von dem ich aber abging, als der eine
der Besitzer in der schleswig-holsteinischen Frage im fortschrittlichen
Wasser gefahren wissen wollte.“
Er: „Ja, ich kenne sie.“
Ich: „Und dann übernahm ich im Auftrage der Regierung
eine Stelle in Hannover, wo ich während des Übergangsjahres dem
Zivilkommissar, Herrn von Hardenberg beigegeben war, um die
Interessen Preußens in der dortigen Presse zu vertreten. Zuletzt
habe ich, aus dem Auswärtigen Amte dazu veranlaßt, eine Anzahl
von Aufsätzen für verschiedne politische Blätter geschrieben, unter
anderm auch für die Preußischen Jahrbücher, für die ich schon früher
thätig gewesen war.“
Er: „Da kennen Sie also unsre Politik und besonders die
deutsche Frage. Ich habe nämlich die Absicht, Sie sollen nach meinen
Angaben und Intentionen — denn selber kann ich doch keine Leit—
artikel schreiben — Aufsätze und Korrespondenzen machen für die
Zeitungen und andre dazu veranlassen. Es kommt zunächst auf
einen Versuch an. Ich muß dazu jemand besonders haben, nicht
bloß so nebenbei wie jetzt, wo ich auch vom Litterarischen Büreau
gar nicht genügend unterstützt werde. Aber — so schien er die
Unterredung, indem er auf die Uhr zu seiner rechten Hand blickte,
schließen zu wollen — wie lange bleiben Sie hier?“
Ich entgegnete, ich hätte mich aufs Dableiben eingerichtet.
Er: „Nun gut, da werde ich dieser Tage länger mit Ihnen
sprechen. Inzwischen reden Sie doch mit Herrn von Keudell und
dem Legationsrat Bucher; der ist in diesen Sachen gut zu Hause.“
Ich meinte damit entlassen zu sein und machte Miene, mich
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