Full text: Tagebuchblätter. Erster Band. (1)

304 Zehntes Kapitel 19. Oktober 
Wieder einen Brief von Bamberger erhalten. Empfiehlt uns, 
die Englische Lithographierte Korrespondenz zu kaufen, wozu ihn 
vermutlich Schlesinger, der Besitzer dieser Zeitungsspeiseanstalt, an— 
gestiftet hat. Man machte für uns in der Presse Politik, aber 
man möchte nun auch ein Geschäftchen mit uns machen. Dieser 
Judenklüngel über die ganze Welt! 
Bei Tische, wo Graf Waldersee zugegen war, bemerkte der 
Minister: „Es wäre ganz vernünftig, wenn man aus den Gegenden, 
wo sie aus den Büschen auf unsre Züge schießen, Eisenbahnschwellen 
locker machen und Steine auf die Schienen legen, einmal ein paar 
Quadratmeilen Einwohner heraushöbe, nach Deutschland transpor— 
tierte und dort unter guter Aufsicht ansiedelte.“ Als Bucher erzählte, 
daß auf seiner Herfahrt ein Offizier sich seinen Revolver habe geben 
lassen, um damit vor einer Brücke, von der französische Schlingel 
herunterzuspucken gepflegt hätten, in demonstrativer Weise zu spielen, 
fiel der Chef ein: „Warum spielen? Hätte er doch abgewartet, 
bis sie gespuckt hätten, und dann gleich geschossen.“ 
Wenn ich recht verstand, hat der Weimaraner den Kanzler 
auf heute abend acht Uhr zu sich entbieten lassen, er habe von 
ihm über etwas Auskunft zu verlangen. Der Kanzler sagte: „Ich 
habe ihm zurücksagen lassen, daß meine Gesundheit und Staats- 
geschäfte mich abhielten." 
Waldersee wollte wissen, einige von den kleinen Fürstlichkeiten 
hätten aus dem Brande des Schlosses von St. Cloud verschiedne 
Andenken, Vasen, Nippes, Bücher „gerettet,“ diese Dinge aber auf 
Anordnung des Kronprinzen zurückgeben müssen. 
Bohlen machte schnöde Witze über gewisse Orden, dann wurde 
überhaupt von Ordensverleihungen gesprochen und von dem reichen 
Segen, den mancher von dieser Fruchtart schon eingeerntet habe. 
„Ja — sagte der Minister — das viele Blech — wenn man 
von den Orden, die man zuviel hat, an jemand was abgeben 
könnte. Sie z. B., Doktor Busch — wie wärs damit?“ 
„Danke, Exzellenz — erwiderte ich —, danke sehr. Das heißt, 
ja, wenn ich einen oder ein paar von denen haben könnte, die Sie 
getragen haben — ein Andenken, das wäre was andres. Sonst 
mag ich keinen.“ 
Abends kommt Löwinsohn mit einem etwas konfusen Herrn
	        
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