306 Zehntes Kapitel 20. Oktober
sind jetzt verurteilt, ohne irgend welchen Auftrag eine Diktatur der
öffentlichen Wohlfahrt auszuüben und festzuhalten — um den Ruin
ihres Landes herbeizuführen.“
Donnerstag, den 20. Oktober. Früh und nachmittags
fleißig gewesen und verschiedne Artikel und Telegramme gebaut.
Bei Tische war u. a. wieder von der Verhaftung Jacobys
durch die Militärbehörde die Rede, und der Chef äußerte, wie früher
schon, starke Zweifel an der Opportunität der Maßregel. Bismarck—
Bohlen sprach seine Freude darüber aus, daß man „den faulen
Schwätzer eingespunden habe.“ Der Kanzler aber erwiderte, recht
bezeichnend für seine Denkart: „Ich freue mich darüber ganz und
gar nicht. Der Parteimann mag das thun, weil seine Rachegefühle
dadurch befriedigt werden. Der politische Mann, die Politik kennt
solche Gefühle nicht. Die fragt nur, ob es nützt, wenn politische
Gegner mißhandelt werden.“
Jemand bemerkte dann, der Großherzog von Weimar habe es
übel genommen, daß der Chef seiner Aufforderung, ihn zu be—
suchen, nicht Folge geleistet habe, worauf dieser ärgerlich zu Keudell
äußerte: „Sagen Sie doch heute noch (Name unverständlich) oder
Beust, ich hätte mit Verwunderung gehört, daß sein gnädigster
Herr solche Ansprüche an meine Zeit und Gesundheit mache, daß
er sich solche falsche Vorstellungen von den Geschäften, die mir ob-
liegen, gebildet habe. Nicht viel weniger quält mich auch der
Koburger. Schreibt der mir einen zwölf Seiten langen Brief über
deutsche Politik. Ich habe ihm aber geantwortet: Von allen darin
erwähnten Punkten wäre nur einer nicht schon längst in der Vor-
bereitung oder Ausführung begriffen, und dieser eine wäre der Er-
örterung nicht wert. — Er hat uns übrigens 1866 gute Dienste
geleistet. Vorher freilich, wie er Kaiser von Deutschland werden
sollte, und wie er an der Spitze des Schützenbundes stand, war
er schlimm genug. Ich hatte damals allen Ernstes die Absicht,
ihn durch ein Husarenregiment aufheben und nach Magdeburg
bringen zu lassen, und ich schlug das auch dem Könige vor. — Er
1 Ist das der Brief Bismarcks vom 12. Oktober, der dem Herzog das
Einverständnis mit den von diesem entwickelten Gedanken über die Neugestaltung
Deutschlands ausspricht? Ernst II., Aus meinem Leben, III, 667.