Full text: Tagebuchblätter. Erster Band. (1)

312 Zehntes Kapitel 20. Oktober 
einen Artikel, der sich über die Belehrung ausspricht, die der Bundes- 
kanzler durch den Oberpräsidenten von Horn dem Königsberger 
Magistrat in der Jacobyschen Angelegenheit hat zugehen lassen. 
Gestatten Sie über jene Kritik ein paar Worte zur Verständigung. 
Die Weserzeitung trifft damit zwei verschiedne Dinge. Die Aus- 
führung des Bundeskanzlers in jener Mitteilung an den Ober- 
präsidenten ist eine rein theoretische über die Möglichkeit, daß 
bei ausgebrochnem Kriege im Interesse der Kriegführung die mili- 
tärische Staatsgewalt Handlungen begehe, die im Frieden unter 
allen Umständen unzulässig sein würden. Es ist darin ungefähr dasselbe 
gesagt, was die Meinung der Weserzeitung sein muß, wenn sie be- 
merkt: "Wir können uns sehr wohl Fälle denken, wo wir herzlich 
gern für die etwas illegale Internierung eines nichtsnutzigen Störers 
des heiligen Kriegs nicht allein Indemnität, sondern auch Dank 
votieren würden. Eben das ist auch die rechtliche Ansicht des 
Bundeskanzlers, und wenn man dieselbe als absolut unzulässig be- 
zeichnet, so ist es ganz unmöglich, bei einer Invasion des nord- 
deutschen Gebiets auf inländischem Boden eine Schlacht zu liefern, 
es sei denn, daß es gelingt, eine ausgedehnte und gänzlich unbe- 
wohnte Heide als Schlachtfeld ausfindig zu machen und festzuhalten, 
und selbst dann würde dem Eigentümer des Grundstücks Rechts- 
verletzung wohl nachweislich bleiben. 
„Entweder die kriegführende Gewalt ist ungeachtet des aus- 
gebrochnen Kriegs an die Formen der Verfassung oder der Gesetze 
gebunden, oder sie ist berechtigt, sich in einer vernünftigen, dem 
Zweck entsprechenden Weise der ausschließlichen Durchführung der 
kriegerischen Aufgabe hinzugeben. Letztere Frage muß man theo- 
retisch entweder bejahen oder verneinen. Verneint man sie, so ist 
nicht abzusehen, von wie vielen richterlichen Beamten jeder kämpfende 
Truppenteil im Inlande begleitet sein müßte, und welche juridische 
Formalitäten er einzelnen Häusern und Menschen gegenüber zu voll- 
ziehen haben würde, bevor er sich zu militärischer Thätigkeit ver- 
fassungsmäßig berechtigt fühlen dürfte. Bejaht man aber jene Frage, 
so wird man auch zugeben müssen, daß es unmöglich ist, die Be- 
stimmungen über die diskretionäre Gewalt, die dem Befehlshaber 
im Kriege beiwohnen muß, ausreichend und dergestalt zu kodifizieren, 
daß der General oder Soldat für jede einzelne Kriegshandlung,
	        
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