Full text: Tagebuchblätter. Erster Band. (1)

20. Oktober Zehntes Kapitel 313 
die er im Inlande vollzieht, den rechtfertigenden Artikel der Ver— 
fassung oder des Landrechts würde anführen können. 
„Etwas andres als vorstehendes, worüber man ja auch noch 
verschiedner Meinung sein kann, theoretisch zu deduzieren, kann 
überhaupt nicht die Absicht des Bundeskanzlers gewesen sein. Denn 
zu einem Urteil, ob ein Militärbefehlshaber in einem einzelnen Falle 
wohlgethan habe, seine Machtvollkommenheit gerade bis zu dem 
Maße, wie es geschehen, zu verwenden, darüber steht nach der 
jetzigen verfassungsmäßigen Lage dem preußischen Staatsministerium 
die Kompetenz nicht zu. Namentlich sind die vor Ausbruch des 
Kriegs angestellten Generalgouverneure nicht auf Antrag oder unter 
Autorität des Ministers, sondern ohne Zuziehung eines solchen aus 
kriegsherrlicher Machtvollkommenheit ebenso wie alle andern mili— 
tärischen Befehlshaber ernannt worden. Der Bundeskanzler und 
die andern Staatsminister sind nicht die Vorgesetzten der Militär— 
gouverneure, und letztere würden einer ministeriellen Weisung nicht 
Folge leisten, wohl aber jedem militärischen Befehle, der ihnen ohne 
ministerielle Mitwirkung zuginge. 
„Es ist deshalb von Hause aus ein unpraktischer Weg, wenn 
diejenigen, die sich durch einzelne Anordnungen der kriegführenden 
Militärgewalt in ihren Rechten verletzt glauben, ihre Beschwerden 
darüber an ministerielle Instanzen richten. Sie können vielmehr 
Abhilfe nur von seiten der militärischen Vorgesetzten derjenigen, 
über die sie sich beklagen, verlangen. Wir dürfen daher annehmen, 
daß der Bundeskanzler sich gar nicht in der Lage gefühlt hat, über 
die Opportunität eines einzelnen Falles, beispielsweise des 
Jacobyschen, amtlich seine Meinung zu sagen, sondern daß derselbe 
nur seine Ansicht über die theoretische Frage ausgesprochen hat, 
ob während des Kriegs und im Interesse der Kriegführung die 
Verhaftung einzelner Personen, deren Thätigkeit nach dem Ermessen 
der Militärgewalt der eignen Kriegführung schädlich, dem Feinde 
nützlich ist, vorübergehend gestattet sei. 
„In dieser Allgemeinheit gestellt wird die Frage von praktischen 
Politikern und Soldaten schwerlich verneint werden können, wenn 
sie auch theoretisch und juristisch gleich allen Materien des Kriegs- 
rechts ihre vielfachen Bedenken hat. Die konkrete Frage aber, ob 
dieses Kriegsrecht der Staatsgewalt, wenn sie es besitzt, gerade
	        
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