Full text: Tagebuchblätter. Erster Band. (1)

330 Zehntes Kapitel 29. Oktober 
Nouvelliste in einen Moniteur Officiel scheinen gewisse Verhält- 
nisse nicht recht festgestellt worden zu sein, oder es ist eine Intrigue 
im Werke. Heute früh, während ich arbeite, schickt mir ein Herr 
Theodore Neininger, Collaborateur au Moniteur Officiel de la 
Seine et Oise, seine Karte herein, und der Karte folgt ein junger 
Mensch, der vom Präfekten an mich gewiesen sein und „Notizen 
zu Leitartikeln“ von mir haben will. Ich bemerke ihm, daß Löwin- 
sohn zu dem Zwecke genüge, der ja wohl bei dem Blatte bleibe, 
und daß ich mit ihm, dem Collaborateur u. s. w., nur auf Befehl 
des Bundeskanzlers verkehren werde. Er fragt, ob er dem Prä- 
fekten sagen solle, er möge darüber mit Graf Bismarck sprechen. 
Ich erwidre, das müsse der Präfekt selber wissen, ich ließe ihm 
nichts sagen. 
Beim Frühstück will Saint Blanquart wissen, daß Thiers 
morgen bei uns eintreffen werde, und Bölsing äußert später, daß 
schon Friedenspräliminarien in der Luft schwebten, was wir so lange 
bezweifeln wollen, bis der Chef dergleichen gute Dinge andeutet. 
Man hört auch, daß Moltke Graf geworden ist, und daß der 
König den Kronprinzen und seinen Neffen, den Bezwinger von 
Metz, zu Feldmarschällen ernannt hat.1 
Bei Tische fragte der Chef, als wir die Suppe in Angriff 
genommen hatten, ob das nicht Erbswurst wäre, und als ihm das 
bejaht wurde, lobte er sie als ganz vorzüglich, worin ihm Delbrück 
beipflichtete. Dann war von dem großen Erfolge in Metz die 
Rede. „Das verdoppelt die Zahl unfrer Gefangnen geradezu,“ 
sagte der Minister. „Nein, es ist mehr. Wir haben jetzt das 
Heer, das Napoleon in der Zeit von Weißenburg, Wörth und 
Saarbrücken auf den Beinen hatte, mit Ausnahme derer, die wir 
getötet haben, in Deutschland. Was sie noch haben, die Fran- 
zosen, ist nachträglich aus Algier und Rom geholt und neu aus- 
gehoben. Auch kommt Vinoy mit einigen tausend Mann hinzu, 
der sich bei Sedan davon gemacht hat. Ihre Generale sind eben- 
falls fast alle gefangen.“ Er sprach dann davon, daß Napoleon 
gebeten habe, ihm die in Metz eingeschlossenen Marschälle Bazaine, 
  
1 Moltke hatte am 26. Oktober seinen siebzigsten Geburtstag gefeiert und 
erhielt den Grafentitel am 27. Oktober, Verdy 217.
	        
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