334 Elftes Kapitel 30. Oktober
gesagt, er sei nicht gekommen, um mit ihm zu sprechen. „Was ich
ganz natürlich finde — meinte Hatzfeldt —, da Thiers zwar gern
den Frieden mit uns abschlösse — schon weil es dann der Frieden
des Herrn Thiers wäre: er ist nämlich ungeheuer ehrgeizig —, aber
doch nicht weiß, was die in Paris dazu sagen würden.“
Der Chef war inzwischen mit seinem Vetter zu der Heerschau
geritten, die der König diesen Morgen über 9000 Mann Garde-
landwehr abgehalten hat. Während wir noch frühstückten, kam er
herein und brachte einen kleinen runden Herrn mit glattrasiertem
Gesicht und schwarz= weiß gestreifter Weste mit, von dem man dann
hörte, er sei der sächsische Minister Freiherr Richard von Friesen.1
Er speiste mit uns, und da auch Delbrück zugegen war, so hatten
wir die Ehre, mit drei Ministern bei Tische zu sitzen.
Der Chef sprach zuerst von der heute eingetroffnen Landwehr
und erwähnte, daß es große breitschultrige Gestalten gewesen sein,
die den Versaillern imponiert haben würden.? „So eine Kompagnie-
front — sagte er — ist doch wenigstens fünf Fuß breiter als eine
französische — besonders bei der pommerschen Landwehr.“ — Dann
wandte er sich zu Hatzfeldt und fragte: „Sie haben doch gegen Thiers
nichts von Metz erwähnt?“
„Nein, er sagte auch nichts davon, obwohl ers ohne Zweifel
weiß.“
„Gewiß weiß ers, aber ich habe mit ihm auch nichts davon
gesprochen.“ "„
Hatzfeldt bemerkte dann nochmals, daß Thiers sehr charmant
gewesen sei, daß er aber auch von seiner alten Eitelkeit und Selbst-
gefälligkeit nichts eingebüßt hätte. Er habe ihm z. B. erzählt, daß
er vor einigen Tagen einen Bauer getroffen, den er gefragt, ob
er den Frieden wünsche. — Jawohl, sehr. — Ob er wisse, wer
er sei? — Nein. — Nun, er sei Monsieur Thiers; ob er den
1 geb. 9. August 1808, 1. Juni 1859 sächsischer Finanzminister, seit
29. Oktober 1866 Minister des Auswärtigen, war in Versailles als Bundes-
kommissar für die Verhandlungen mit den süddeutschen Staaten. Poschinger,
Bismarck und der Bundesrat 1, 62.
2 Roon III4, 242 vom 30. Oktober: „Entsetzt blickten die Versailler auf
diese neuen prachtvollen Bataillone. Lauter herrliche Gestalten — immer neue
Truppen! immer noch schönere — ch pauvre France.“ Thiers begegnete gerade
der stattlichen Garde bei seiner Ankunft. K. Friedrichs Tagebuch vom 30. Oktober.