Full text: Tagebuchblätter. Erster Band. (1)

31. Oktober Elftes Kapitel 339 
viel Menschen gekostet hatte, jetzt für nicht notwendig für die Ver- 
teidigung zu erklären bemüht war. Die hierdurch erzeugte üble 
Stimmung benutzten die Führer der Radikalen. In der Mittags- 
stunde des 30. sammelte sich eine mit Waffen versehene Volksmenge 
vor dem Hotel de Ville, und gegen zwei Uhr erzwangen die Auf- 
rührer den Eingang in das Gebäude, wo sie die Absetzung der 
Regierung vom 4. September und die Proklamierung der Kommune 
versuchten, aber durch treugebliebne Bataillone der Nationalgarde 
daran verhindert wurden, was indes erst nach zehn oder zwölf 
Stunden gelang. 
Kehren wir zum 31. Oktober und nach Versailles zurück, so 
erhielt ich am Abend dieses Tages den Auftrag, zu bewirken, daß 
der am 27. im Staatsanzeiger abgedruckte Erlaß an Vogel von 
Falckenstein von unsern andern Blättern reproduziert werde. Des- 
gleichen sollte mit der Anlegung einer Sammlung von Zeitungs- 
nachrichten über die schlechte Behandlung der deutschen Gefangnen 
durch die Franzosen begonnen werden. Endlich wurde nach Ge- 
danken des Chefs noch ein Aufsatz gegen die Einmischung Beusts 
in unsern Streit mit Frankreich in Angriff genommen, der „recht 
scharf werden“ sollte, indes nicht zur Absendung kam, da die Ver- 
hältnisse sich inzwischen geändert hatten. Ich lasse den Artikel als 
bezeichnend für den damaligen Stand der Dinge folgen. Er lautete: 
„Wenn beim Ringen zweier Mächte die eine sich offenbar als 
die schwächere erweist und endlich hart am Unterliegen ist, so muß 
es ohne Zweifel weniger als Wohlwollen für beide Teile wie als 
Sorge für den schwächern Teil, als deutliche Parteinahme für ihn 
aufgefaßt werden, wenn eine dritte, bisher neutrale Macht zu einem 
Waffenstillstande mahnt. Es ist eben ein Waffenstillstand zu 
Gunsten des im Unterliegen Begriffnen und zu Ungunsten dessen, 
der die Oberhand erlangt hat. Bemüht diese dritte Macht sich aber 
noch überdies, andre Neutrale zu ähnlichem Vorgehen zu bewegen, 
um ihre Stimme durch die von jenen zu verstärken und ihrem 
Rate mehr Gewicht zu verschaffen, so tritt sie augenscheinlich noch 
mehr aus der Neutralität heraus. Ihre parteiische Mahnung ver- 
wandelt sich in parteiisches Drängen, ihr Auftreten wird zur Machi- 
nation, ihr Verfahren sieht nach Drohung mit Zwang aus. 
„In diesem Fall ist jetzt offenbar Osterreich-Ungarn, wenn es, 
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