340 Elftes Kapitel 31. Oktober
wie die Wiener offiziösen Blätter rühmen, die Versuche der Neu—
tralen zur Vermittlung eines Waffenstillstandes zwischen dem im
Unterliegen begriffnen Frankreich und dem siegreichen Deutschland
angeregt hat. Das Verhalten des Grafen Beust gewinnt aber noch
mehr verletzende Deutlichkeit, wenn man weiß, daß es von Herrn
Chaudordy, dem Vikar Favres in Tours, angeregt, daß es einer
vorherigen Verständigung des Wiener Kabinetts mit der Delegation
der Provisorischen Regierung in jener Stadt entsprungen ist. Noch
mehr endlich enthüllt sich dieses Vorgehen der Diplomatie Oster-
reich-Ungarns in seiner wahren Gestalt als feindselige Einmischung
in unfre Abrechnung mit Frankreich, wenn wir die Sprache hören,
in der ihr Vertreter in Berlin die Vorstellungen Englands unter-
stützt hat. Das britische Auswärtige Amt befleißigte sich eines
durchaus objektiven und für Deutschland wohlwollenden Tones,
Italien desgleichen, Rußland enthielt sich in Berlin bisher jedweder
Einmischung. Alle drei Mächte wirkten in Tours mit GEifer für
eine vorurteilsfreie und nachgiebige Auffassung der Sachlage. Die
Depesche dagegen, die Herr von Wimpffen in Berlin verlesen hat
— von dem, was österreichisch-ungarischerseits in Tours angeraten
worden, ist uns nichts bekannt —, redet in einem Tone, der eher
alles andre als ein freundlicher ist. Sie betont, daß man in
Wien mnoch an allgemeine europäische Interessen glaubte. Sie
fürchtet, daß die Geschichte die Neutralen verurteilen würde, wenn
sie der für Paris herannahenden Katastrophe ohne Einrede zusähen.
Sie erlaubt sich offenbar einen bittern und verletzenden Tadel,
wenn sie sagt, die Menschlichkeit erheische, daß man dem Unter-
liegenden die Annahme der Friedensbedingungen erleichtere, Deutsch-
land aber wolle „außer dem Machtgebot des Siegers keine andre
Stimme zu dem Besiegten dringen lassen. Durch die ganze Depesche
geht endlich ein Zug von Ironie, der sie sehr wenig vorteilhaft von
der englischen unterscheidet.1
„Nach alledem haben wir es in dem Auftreten des Grafen Beust
Uzweifelhaft ebenso sicher mit übeln Absichten wie in dem des Lord
1 Graf Beust hatte sie am 13. Oktober an den österreichischen Botschafter
in Berlin, den Grafen Wimpffen geschickt und ähnliche Weisungen am 28. Sep-
tember nach London, am 12. Oktober nach St. Petersburg gegeben, s. G. u. E. II,
100 ff.