2. November Elftes Kapitel 345
Erlaubnis vom General weiter vor, heißt es. Ich unterhielt mich
ein Weilchen mit den Soldaten vor dem Wachlokal. Sie waren
bei Wörth und Sedan mit im Feuer gewesen. Dem einen war in
einer dieser Schlachten infolge eines feindlichen Schusses die Patron—
tasche explodiert und ins Gesicht gefahren. Ein andrer erzählte,
daß sie neulich französische Soldaten in Häusern überrascht hätten,
und daß es da keinen Pardon gegeben habe. Ich hoffe, es sind
Franctireurs gewesen. In den Dörfern an der Straße sieht man
zahlreiche Schenken, die Einwohner sind meist zurückgeblieben, sie
scheinen fast durchgehends arme Leute zu sein. Von den Zer—
störungen, die die französischen Zuckerhüte in Sevres angerichtet
haben sollten, war wenig zu entdecken, und die zusammengeschossene
Porzellanfabrik soll Fabel sein; sie hätte, wie die Soldaten sagen,
nur etwa zehn Bomben bekommen, und die hätten nur ein paar
Steine der Mauer und etliche Fenster und Thüren zertrümmert.
Nach der Rue de Provence zurückgekehrt, hörte ich — es war
etwa halb fünf Uhr —, daß Thiers bis vor einigen Minuten beim
Chef gewesen sei und sich mit ziemlich vergnügtem Gesicht von
ihm verabschiedet habe. Der Chef ging allein im Garten spazieren.
Schon von vier Uhr an ließ sich wieder ein heftiges Kanonenfeuer
vernehmen.
Das heutige Diner verschönerte eine große Forellenpastete, die
Liebesgabe eines Berliner Speisewirts, der dem Bundeskanzler zu-
gleich ein Faß Wiener Märzenbier und — seine Photographie ver-
ehrt hatte. Während des Essens bemerkte der Minister über seinen
heutigen Besuch: „Er ist ein gescheiter und liebenswürdiger Mann,
witzig, geistreich, aber kaum eine Spur von Diplomat, zu senti-
mental für das Gewerbe. — Er ist ohne Zweifel eine vornehmere
Natur als Favre. Aber er paßt nicht zum Unterhändler — nicht
einmal zum Pferdehändler. — Er läßt sich zu leicht verblüffen,
er verrät, was er empfindet, er läßt sich ausholen. So habe ich
allerlei von ihm herausgekriegt, unter anderm, daß sie drin nur
—— —
1 Abeken 493 vom 2. November abends: (Bismarck) „rklärt ihn für einen
äußerst feinen, gesellig liebenswürdigen Mann, aber nicht gerade für den ge-
eignetsten Unterhändler.“ Er hat ganz dasselbe gehört wie Busch, giebt es aber
weder so vollständig noch so lebendig wieder.