5. November Elftes Kapitel 357
dabei jedoch bemüht sein, zu zeigen, daß Preußen, wenn es uns
die Bürgschaften versagen wollte, die die Ausdehnung seiner Grenzen
uns von ihm zu beanspruchen nötigt, sich einer Verkennung dessen
schuldig machen würde, was die Gerechtigkeit und die Vorsicht ver-
langen — eine Aufgabe, die mir leicht zu sein scheint. Indem ich
also mit Klugheit verfahren will, habe ich es bei der Gemütsart
des Ministerpräsidenten für passend gehalten, nicht gegenwärtig zu
sein bei dem ersten Eindruck, den auf seinen Geist die Gewißheit
hervorbringen wird, daß wir die Ufer des Rheins bis und mit Ein-
schluß von Mainz in Anspruch nehmen. Zu diesem Zwecke habe ich
ihm diesen Morgen eine Abschrift Ihres Vorschlags zugesandt und
ihm den besondern Brief dazu geschrieben, von dem Sie hier eine
Abschrift beigeschlossen finden. Ich werde morgen versuchen, ihn zu
sehen, und ich werde Sie von der Stimmung in Kenntnis setzen,
in der ich ihn gefunden habe.“
Dieser schriftlichen Mitteilung folgte dann eine Unterredung,
die Benedetti in seiner Schrift allerdings kurz erwähnt, aber so, daß
er möglichst vermeidet, selbst erzählend aufzutreten. Andernfalls
würde er nicht haben verschweigen können, daß er die Forderung
seines Ministers in der Ordnung fand und warm befürwortete. Auf
die Bemerkung des Ministerpräsidenten, daß diese Forderung den
Krieg bedeute, und daß Benedetti gut thun würde, sich nach Paris
zu verfügen, um diesen Krieg zu verhüten, erwiderte er, daß er nach
Paris gehen werde, aber nicht umhin könne, dem Kaiser aus eigner
Überzeugung das Verharren bei seinem Verlangen anzuempfehlen,
weil er glaube, daß die Dynastie gefährdet sei, wenn die öffentliche
Meinung in Frankreich nicht durch ein derartiges Zugeständnis
Deutschlands beschwichtigt werde. Die letzte Außerung des preußischen
Ministerpräsidenten, die er auf die Reise nach Paris mitnahm, lautete
etwa folgendermaßen:
„Lenken Sie den Blick Seiner Majestät des Kaisers darauf,
daß ein solcher Krieg unter gewissen Umständen ein Krieg mit re-
volutionären Schlägen werden kann, und daß angesichts revolutio-
närer Gefahren die deutschen Dynastien den Beweis liefern dürften,
fester gegründet zu sein als diejenige des Kaisers Napoleon.“
Auf diese Unterredung folgte am 12. August ein einlenkender
Brief des Kaisers, durch den der Vorhang über den Anspruch auf