Full text: Tagebuchblätter. Erster Band. (1)

364 Elftes Kapitel 7. November 
deren Präsident Esquiros ist, auf eine Lostrennung von dem durch 
Paris regierten Lande abgesehen zu haben. Man geht hier mit 
dem Plan einer Zwangsanleihe bei den Reichen um, und es heißt, 
daß Mieroslawski nach Marseille berufen werden soll, um die 
Bataillone der Roten, die hier das Heft in der Hand haben, zu 
einer Armee zu organisieren. 
Abends die Proklamation des Grafen Chambord an die 
Franzosen gelesen. Er will sich wie die andern „dem Wohle Frank- 
reichs weihen,“ er meint, „regieren heiße nicht, den Leidenschaften 
des Volkes schmeicheln, sondern sich auf seine Tugenden stützen." 
Statt den Leuten mit solchen allgemeinen Redensarten aufzuwarten, 
die freilich auf die Regierung der Pariser Advokaten passen, hätte 
er besser gethan, ihnen zu sagen, wie dem jetzigen Zustande ein 
Ende zu machen ist. Hört die politische und soziale Verwirrung, 
die infolge des 4. Septembers nicht bloß über Paris sich aus- 
gebreitet hat, nicht binnen kurzem auf, so wird sich die Ordnung, 
die der Wunsch Deutschlands und ganz Europas ist, schwer wieder- 
herstellen lassen. Gleichviel, welche Regierung die Republik einmal 
beerben wird, sie wird das Land, wenn der jetzige Zustand noch 
lange dauert, mit einer Anarchie behaftet übernehmen, die ihr nicht 
gestatten wird, mit den Tugenden des Volkes zu rechnen. Sie wird 
sich auf dessen Leidenschaften stützen müssen. 
Montag, den 7. November. Der Chef läßt mich früh 
nach London telegraphieren: „In fünftägigen Verhandlungen mit 
Thiers ist demselben ein Waffenstillstand auf Grundlage des mili- 
tärischen Statusquo von jeder Dauer bis zu achtundzwanzig Tagen 
behufs Vornahme der Wahlen unter Gestattung derselben in den 
okkupierten Teilen Frankreichs angeboten worden, auch eventuell 
Gestattung und Förderung der Wahlen ohne Waffenstillstand. Er 
war auch nach neuer Besprechung mit der Pariser Regierung in 
der Vorpostenlinie nicht ermächtigt, das eine oder das andre an- 
zunehmen, er verlangte vor allem Verproviantierung von Paris, 
ohne militärische Aquivalente bieten zu können. Da diese Forderung 
den Deutschen militärisch nicht annehmbar war, erhielt Herr Thiers 
gestern aus Paris die Weisung, die Verhandlungen abzubrechen.“ 1 
  
1 Über diese Verhandlungen siehe noch Verdy 233 ff., Roon III 4, 247 ff.
	        
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