Full text: Tagebuchblätter. Erster Band. (1)

8. November Elftes Kapitel 367 
etwas andern Worten. Als ich mir die Bemerkung erlaubte, der 
Inhalt der Depesche sei schon am Morgen dem Telegraphen über— 
geben worden, erwiderte er: „Doch nicht. Hier steht: Graf Bismarck 
schlug vor u. s. w. Solche feine Nuancen müssen Sie herausmerken, 
wenn Sie im ersten Auswärtigen Ministerium der Welt arbeiten 
wollen.“ 
Später wurde ich nochmals zu ihm gerufen. Es sollte tele— 
graphiert werden: „Nach Privatmitteilungen aus Paris ist Favre 
und die Mehrzahl seiner Kollegen für die Wahlen und den durch 
Thiers vermittelten Waffenstillstand gewesen; Trochu aber, dagegen 
agitierend, hat seine Ansicht durchgesetzt.“ 
Dienstag, den 8. November. Früh ein Telegramm ab— 
geschickt, wonach die Personen, die man in den Luftballons gefunden 
hat, nach einer preußischen Festung abgeführt worden sind, um dort 
vor ein Kriegsgericht gestellt zu werden, und wonach ferner 
die Briefe, die man in den Gondeln konfisziert hat, Diplomaten 
und andre Persönlichkeiten kompromittieren, denen man mit Rück- 
sicht auf ihre Stellung und ihr Ehrgefühl bisher den Verkehr aus 
Paris gestattet hat. Dieser Verkehr, so führte dann ein diese Funde 
behandelnder Artikel aus, werde fortan nicht mehr erlaubt sein. 
Um halb ein Uhr, während wir frühstückten, empfing der 
Chef den Besuch eines ältlichen Herrn, der ein seidnes Gewand und 
ein scharlachnes Käppchen sowie eine Art Schärpe von gleicher Farbe 
trug. Es war der Erzbischof Ledochowski aus Posen, und man 
wollte wissen, es handle sich um das Anerbieten des Papstes, zu 
unsern Gunsten bei der französischen Regierung zu intervenieren. Ver- 
mutlich hofft man damit eine Intervention der deutschen Regierung zu 
Gunsten des Papstes zu erkaufen. Der Erzbischof blieb bis gegen drei 
Uhr da, # und der Chef begab sich, nachdem sich der Kardinal wieder 
entfernt hatte, zum Könige. Später speiste er beim Kronprinzen, 
wo auch der inzwischen eingetroffne Großherzog von Baden dinierte.2 
  
1 Ledochowski war schon am 4. November gekommen, hatte aber da- 
mals den Kanzler nicht sprechen können, Abeken 444 vom 4. November 
abends, vgl. 448. Die im Texte geäußerte Vermutung ist richtig, vgl. G. u. E. II, 
123. H. Kohl in seiner Ausgabe der Politischen Reden V, 200 f., val. Kaiser 
Friedrichs Tagebuch vom 12. November. 
2 Der Großherzog kam am 6. November abends an. Jolly 194.
	        
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