Full text: Tagebuchblätter. Erster Band. (1)

9. November Elftes Kapitel 373 
denn er hat zehn Millionen katholischer Unterthanen, die den Ober— 
herrn ihrer Kirche geschützt sehen wollen.“ — „Ubrigens mögen 
Leute mit vorwiegender Phantasie, besonders Frauen, in Rom beim 
Anblicke des Pomps und des Weihrauchs des Katholizismus und 
des Papstes auf seinem Thron und mit seinem Segen Neigung 
empfinden, katholisch zu werden. In Deutschland, wo man den 
Papst unter sich hätte als hilfesuchenden Greis, als guten alten 
Herrn, als einen der Bischöfe, der wie die andern ißt und trinkt, 
eine Prise nimmt, wohl gar auch seine Eigarre raucht — da hats 
keine so große Gefahr.“ — „Na und schließlich, wenn nun auch 
etliche Leute in Deutschland wieder katholisch würden — ich werds 
nicht —, so hätte das nicht viel zu bedeuten, wenn sie nur gläubige 
Christen wären. Die Konfessionen machens nicht, sondern der Glaube. 
Man muß toleranter denken.“ — Zuletzt kam er auf die komische 
Seite der Auswanderung des Papstes und seiner Kardinäle nach 
Fulda und schloß: „Für solche humoristische Auffassung der Sache 
hat freilich der König keinen Sinn. Aber (lächelnd) wenn mir nur 
der Papst treu bleibt, so setze ichs doch bei ihm noch durch!“ 
Er entwickelte diese Gedanken in interessantester, hier aber 
nicht mitteilbarer Weise noch weiter.7 
Dann kam man auf andre Dinge. Hatzfeldt erwähnte, daß 
die Koburger Hoheit vom Pferde gefallen sei. — „Glücklicherweise 
ohne Schaden zu leiden,“ fügte Abeken, der soeben hinzugekommen 
war, mit froher Miene eilig hinzu. Der Chef aber wurde dadurch 
veranlaßt, von ähnlichen Unglücksfällen zu erzählen, die ihm selbst 
widerfahren waren. 
„Ich glaube — so bemerkte er —, daß es nicht reicht, wenn 
ich sage, daß ich wohl fünfzig mal vom Pferde gestürzt bin. Vom 
Pferde fallen ist nichts, aber mit dem Pferde, sodaß es auf einem 
liegt, das ist schlimm. Zuletzt noch in Varzin, wo ich drei Rippen 
brach. Da dacht ich: jetzt ists aus. Es war nicht so viel Gefahr, 
wie es anfangs schien, aber es that doch ganz erschrecklich weh. — 
Früher aber, in meinen jüngern Jahren, da hatte ich einen merk- 
würdigen Zufall, der zeigt, wie das Denken des Menschen doch 
  
1 Vgl. Kaiser Friedrichs Tagebuch vom 12. November. Er war wie der 
König gegen eine Aufnahme des Papstes in Deutschland.
	        
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