Full text: Tagebuchblätter. Erster Band. (1)

392 Elftes Kapitel 13. November 
und einen Umweg machen, da man vom Fort hierher sehen konnte 
und schon in dieser Richtung geschossen hatte. 
Es sieht hier unter dem Wipfeldach des Waldes sehr kriegerisch 
aus. Kleine Lager und Biwaks mit Gewehrpyramiden, neu ge- 
zimmerte Bretterbaracken wie große Hundehütten gestaltet zwischen 
den Stämmen des Gehölzes, weiterhin kleine weiße Zelte, überall 
allertiefster Kot. Ich treffe bei einem hübschen mit Grün be- 
wachsenen Häuschen, zu dem eine Brücke von Fensterladen und 
anderm Bretterwerk über den Schmutz führt, den Premierleutnant 
Kruska, der mich zu Haber bringt. Dieser hat mit zwei Offizieren, 
von denen der jüngere neulich in Chesnay als rosenrote Dame 
verkleidet die Rolle der Cancantänzerin mit so viel Elastizität gab, 
und einem Militärarzt ein Quartier inne, in das er sich vor drei 
Monaten schwerlich hineingeträumt haben wird. 
Die Herren wohnen in einem Kiosk der Kaiserin und sind in 
einem Stübchen rechts vom Eingang soeben beim Essen, wobei es 
— wie seit Wochen, sagt Haber — von animalischen Speisen nichts 
als Hammelfleisch giebt. Vor dem Hause stehen die Gewehrpyramiden 
der sechsten Kompagnie des 46. Regiments, daneben liegen auf aus- 
gehobnen Thüren und Jalousien, des Kotes wegen, die Tornister 
der Leute. Die Thüren, aus denen man auch hier einen Steg 
über den Schlamm konstruiert hat, sind zum Teil vergoldet. Drin 
im großen Saal ists voll von polnischen Kriegsleuten, die auf 
Strohschütten herumliegen und einen ganz erschrecklichen Tabak 
rauchen. Premierleutnant von Hanstein warnt mich vor dem Sofa 
in der Stube. Ungeziefer! Er hat heut an sich selbst eine be- 
trübende Erfahrung gemacht. Sonst ists bis auf den ewigen und 
Unabänderlichen Hammel hier auszuhalten, obgleich die Gegend nicht 
recht geheuer ist. Der Mont Valérien schießt nämlich über den 
Bergrücken, wo der Kiosk Eugeniens steht, hinweg und bis Lou- 
veciennes, und es ist ein Wunder, daß die Franzosen dem Hause 
noch keine Granate zugesandt haben. Während wir bei der Flasche 
sitzen, wird vom Fort zweimal gefeuert. 
Nach dem Essen führt uns Haber nach dem Observatorium 
dieses Außenpostens, einem Platze zwischen Maronenbäumen, wo 
man den bösen „Baldrian“ jenseits des waldigen Abhanges mit 
bloßen Augen so deutlich sieht, daß sich die Fenster der großen
	        
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