20. November Zwölftes Kapitel 415
Von letzterm kam die Rede auf die Gagern und zuletzt auf
den einst viel gefeierten Heinrich. Der Chef sagte unter anderm
von ihm: „Er läßt seine Töchter katholisch erziehen. Nun, wenn
er den Katholizismus für besser hält, so ist dagegen nichts einzu—
wenden; nur sollte er dann selber katholisch werden. So ist es nur
Inkonsequenz und Feigheit.“ — „Ich entsinne mich, 1850 oder
1851, da hatte Manteuffel Befehl bekommen, eine Verständigung
zwischen den Gagernschen und den Konservativen von der preußischen
Partei zu versuchen — wenigstens so weit, wie der König in der
deutschen Sache gehen wollte.“ — „Er nahm mich und Gagern
dazu, und so wurden wir eines Tages zu einem souper à trois bei
ihm eingeladen. Zuerst wurde wenig oder gar nicht von Politik
gesprochen. Dann aber ergriff Manteuffel einen Vorwand, uns
allein zu lassen. Als er hinaus war, sprach ich sogleich von Politik
und setzte Gagern meinen Standpunkt auseinander, und zwar in
ganz nüchterner, sachlicher Weise. Da hätten Sie aber den Gagern
hören sollen. Er machte sein Jupitergesicht, hob die Augenbrauen,
sträubte die Haare, rollte die Augen und schlug sie gen Himmel,
daß es förmlich knackte, und sprach zu mir mit seinen großen Phrasen,
wie wenn ich eine Volksversammlung wäre. — Natürlich half ihm
das bei mir nichts. Ich erwiderte kühl, und wir blieben ausein-
ander wie bisher. Als Manteuffel dann wieder hereingekommen
war und der Jupiter sich entfernt hatte, fragte er mich: Nun, was
haben Sie zustande gebracht mit einander?# Ach — sagte
ich —, nichts ist zustande gekommen. Das ist ja ein ganz dummer
Kerl. Hält mich für eine Volksversammlung — die reine Phrasen-
gießkanne. Mit dem ist nicht zu reden.“1
Man sprach darauf vom Bombardement, und der Chef äußerte:
„Ich habe es dem König erst gestern wieder gesagt, daß es nun
doch Zeit dazu wäre, und er hatte nichts dagegen. Er erwiderte,
er habe es befohlen, aber die Generale sagten, sie könnten nicht. —
Ich weiß wohl, es ist Stosch und Tresckow und Podbielski.“
Angelegenheiten im österreichischen Ministerium des Auswärtigen, war der eigent-
liche Träger der deutschen Politik Osterreichs in diesen Jahren. Friedjung, Der
Kampf um die Vorherrschaft I, 100 f.
1 Darüber auch G. u. E. I, 66 f. Die Sache spielte 1850 während des
Unionsparlaments in Erfurt.