Full text: Tagebuchblätter. Erster Band. (1)

416 Zwölftes Kapitel 20. November 
„Und Hindersin?“ fragte jemand. 
„Der will auch nicht. Podbielski (so glaubte ich zu hören) 
wäre wohl anders zu stimmen. Aber die beiden andern sind von 
Zukunftsrücksichten bestimmt.“ 
Aus seinen weitern Äußerungen ging hervor, daß nach seiner 
Meinung zunächst die Königin Viktoria, dann, von dieser beredet, 
die Kronprinzessin und schließlich, von der wieder beeinflußt, der 
Kronprinz nicht wollen, daß Paris beschossen wird, und daß dem 
Kronprinz zu Gefallen, „der ja künftig König sein und Kriegs— 
minister, Armeekorpskommandanten und Feldmarschälle zu ernennen 
haben wird,“ die erwähnten Generale nicht „können.“ 1 
Die Unterhaltung wandte sich dem verstorbnen General von 
Möllendorff zu, von dem gerühmt wurde, er sei ein kreuzbraver 
alter Herr gewesen. Graf Bismarck-Bohlen erzählte von ihm: „Im 
Treffen bei Schleswig, als man da in der Ferne schießen hörte, 
kommt Wrangel herangesprengt zu Möllendorff und fragt: Wo wird 
geschossen?e Der weiß es nicht zu sagen. Da fährt Wrangel ihn 
an, das müsse er wissen, und jagt dann theatralisch davon. Möllen- 
dorff meinte später: „Dieser Wrangel ist doch halb Grobian, halb 
Komödiant, und ich sitze hier à cheval der Ereignisse.“ 
Der Minister knüpfte daran folgendes: „Da erinnere ich mich, 
nach den Märztagen, wie der König in Berlin und die Truppen in 
Potsdam waren. Da kam ich auch hin, und es war Beratung, 
was jetzt zu thun wäre. Möllendorff war dabei und saß mit schmerz- 
hafter Miene auf einem Stuhle nicht weit von mir. Er konnte 
nur mit der einen Hälfte sitzen, so hatten sie ihn zerprügelt. Der 
eine riet nun dies, der andre das, aber niemand wußte recht, 
was zu machen. Ich saß neben dem Pianoforte und sagte nichts, 
schlug aber ein paar Töne an — Dideldum dittera. (Er dudelte 
  
1 Vgl. G. u. E. II, 113 ff. Kaiser Friedrichs Tagebuch vom 25. No- 
vember: „Bismarck verlangt dringend Beschießung, Blumenthal entwickelt in 
einem Promemoria an Moltke die Sinnlosigkeit eines Bombardements u. f. f.“ 
Auch in den politischen Kreisen Berlins bestand diese Ansicht. Erinnerungen aus 
dem Leben H. V. von Unruhs S. 313f. Der Kronprinz am 28. November: 
„Man ist in Berlin ganz toll auf die Beschießung, Frau von B. bezeichnet mich 
als Schuldigen.“ 
2 23. April 1848, Ostersonntag.
	        
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