Full text: Tagebuchblätter. Erster Band. (1)

418 Zwölftes Kapitel 21. November 
„Nein, erlauben Sie — entgegnete der Chef —, die mußte 
ich auch bezahlen. — Das Holz wäre übrigens nicht so teuer, 
wenn es die Beamten nicht teuer machten. Da erinnere ich mich, 
einmal, da sah ich schönes Holz auf einem finnischen Boote. Ich 
fragte die Bauern nach dem Preise, und sie nannten mir einen 
sehr wohlfeilen. Als ichs aber kaufen wollte, fragten sie (er sagte 
dies auf Russisch, kasennoje), ob es für den Fiskus wäre. Da 
beging ich die Unvorsichtigkeit, zu antworten, nicht für den kaiser— 
lichen Fiskus, sondern (er brauchte wieder die russischen Worte, 
krolowskij prusskij posol) für den königlich preußischen Gesandten. Da 
waren sie, als ich wieder hinkam, um das Holz abholen zu lassen, 
alle davon gelaufen. Hätte ich ihnen die Adresse eines Kaufmanns 
gegeben, mit dem ich mich inzwischen verständigen konnte, so hätte 
ichs um den dritten Teil dessen gehabt, was ich sonst bezahlte. 
Der (er brauchte wieder die russische Bezeichnung für den Begriff: 
preußischer Gesandter) war ihnen offenbar auch ein Beamter des 
Zaren, und sie dachten: Nein, der sagt, wenn er bezahlen soll, 
wir hätten es gestohlen, und läßt uns einsperren, bis wirs ihm 
umsonst geben.“" 
Er erzählte darauf noch Beispiele der Art, wie die Tschinow-= 
niks (die Beamten] die Bauern hudeln und ausbeuten, und kam 
dann auf die karge Besoldung der preußischen Gesandten gegenüber 
den übrigen zurück. „So ists auch in Berlin,“ setzte er hinzu. 
„Ein preußischer Minister hat zehntausend Thaler, der englische 
Gesandte aber dreiundsechzigtausend, und der russische vierundvierzig- 
tausend; dazu liquidiert er seiner Regierung alle offiziellen Feste, 
und wenn der Kaiser einmal bei ihm wohnt, bekommt er gebrauchs- 
mäßig einen vollen Jahresgehalt als Entschädigung. Da können 
wir freilich nicht mit ihnen Schritt halten." 
Montag, den 21. November. Die Verhandlungen mit 
den Bayern scheinen noch nicht zum vollen Abschluß gelangt zu sein, 
aber doch in der Hauptsache zu guten Resultaten geführt zu haben. 
Aus dem, was man hört, ist der Weg, auf dem man dahin ge- 
langt ist, nicht zu erkennen. Gewiß scheint nur, daß das Ergebnis 
ein Kompromiß sein wird, bei dem unsrerseits nur das Wesentliche 
festgehalten und auf andre Wünsche und Ansprüche verzichtet worden 
ist. Irgendwelche Pression ist sicher nicht ausgeübt worden. Doch
	        
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