Full text: Tagebuchblätter. Erster Band. (1)

422 Zwölftes Kapitel 22. November 
Wir haben bei Tische Kaviar und Fasanenpastete, jener ist 
von der Frau Baronin von Keudell, diese von der Frau Gräfin 
Hatzfeldt gestiftet; desgleichen wird schwedischer Punsch gereicht. 
Abends die Bernstorffsche Note darüber, daß die französische Fre— 
gatte „Desaix“ ein deutsches Schiff in englischen Gewässern gekapert 
habe, desgleichen das Schreiben an Lundy über die englische Waffen— 
ausfuhr nach Frankreich für unsre Presse zurecht gemacht, ferner 
besorgt, daß Bazaine von unsern Blättern nicht mehr gegen den 
Vorwurf der Verräterei verteidigt wird, „weil ihm das schadet,“ 
und ein Telegramm abgelassen, daß die französische Regierung seit 
einigen Tagen die Fremden mit Einschluß der Diplomaten, denen 
wir jetzt wie vorher unsre Linien öffnen, nicht mehr aus Paris 
wegreisen läßt. 
Löwinsohn berichtet, daß der Präfekt von Brauchitsch dem 
Versailler Magistrat bei einer Strafe von fünfzigtausend Franken 
geboten hat, bis zum 5. Dezember ein Magazin von notwendigen 
Dingen anzulegen, die in der Stadt zu fehlen anfangen. Garibaldi hat 
wirklich einen kleinen Erfolg über unsre Truppen davongetragen, 
unser Verlust an Toten, Verwundeten und Gefangnen soll sich 
aber auf nicht mehr als hundertundzwanzig Mann belaufen. 
Beim Thee hörte man, daß Hellwitz, der in Meaux bei uns 
war, wieder eingetroffen und vom Chef empfangen worden ist. Er 
ist nach Bohlen ein etwas rätselhafter Kunde, Agent Napoleons 
und doch an der extrem demokratischen Rheinischen Zeitung beteiligt 
oder gar Mitbesitzer. In Preußen giebt er sich mit Erfolg für 
einen hochsinnigen und patriotischen Republikaner aus. Als solchen 
hat ihn der Regierungspräsident von — bei uns eingeführt. Was 
die beiden Hälften dieser Doppelnatur vereinigt sowie der jetzige 
Zweck ihres Besuches, bleibt in Dunkel gehüllt. Bohlen war 
übrigens über den schillernden Mitarbeiter oder Mitbesitzer des 
radikalen Blattes nicht verwundert, da, wie er wissen will, ein 
gewisser Curtis, der ihn einmal besucht, ihm Spionendienste an- 
geboten und ihm allerlei Mitteilungen über geheime Gesellschaften 
  
1 Am frühen Morgen des 19. November überrumpelte Ricciotti Garibaldi 
in Chatillon an der obern Seine das dort stehende westfälische Landwehrbataillon 
Unna und eine Abteilung vom 5. Reservehusarenregiment; er brachte ihnen 
einen Verlust von 120 Mann und 70 Pferden bei. «
	        
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