430 Zwölftes Kapitel 25. November
Er äußert dann, plötzlich das Thema wechselnd: „Die Eng-
länder sind außer sich, ihre Journale verlangen Krieg wegen eines
Briefes, der nichts als die Darlegung einer Rechtsanschauung ent-
hält; denn das ist doch die Note Gortschakows,“ was er darauf
weiter ausführt.
Dann kommt er nochmals auf die Verzögerung des Bom-
bardements zu sprechen, die ihm aus politischen Rücksichten Bedenken
erregt. „Da hat man nun den ungeheuern Belagerungspark heran-
geschafft — sagt er —, alle Welt erwartet, daß wir schießen, und
bis heute stehen die Geschütze müßig. Das hat uns sicher bei den Neu-
tralen geschadet. Der Erfolg von Sedan ist damit ganz erheblich
geschmälert in seiner Wirkung, und wenn man bedenkt, wodurch!“
Die eine der Ursachen der Verzögerung des Schießens brachte
ihn danach auf die Kronprinzessin, von der er bemerkte: „Sie ist
im allgemeinen eine sehr kluge Frau, auch in ihrer Art recht hübsch,
nur müßte sie sich nicht mit Politik befassen.“ Er gedachte dann
der Anekdote mit dem Glase Wasser, die er mir bei Crehanges
erzählt hatte, noch einmal, nur hatte die Prinzessin sich jetzt bei
ihrer Klage der französischen Sprache bedient und gesagt: „So viel
Tropfen der mir einschenkt, so viel Thränen hat er mich schon ver-
gießen lassen."
Freitag, den 25. November. Ich telegraphiere früh die
zwischen gestern und heute erfolgte Kapitulation von Thionville,
mache einen Artikel der Neuen Freien Presse, der die Note Gran-
villes als schüchtern und farblos bezeichnet, für den König zurecht
und besorge, daß in allen unsern Blättern in Frankreich die Tele-
gramme zum Abdruck kommen, die Napoleon im vorigen Juli die
Beistimmung der französischen Bevölkerung zu der von ihm uns
übersandten Kriegserklärung ausgedrückt haben.
Nachmittags besuchte ich mit Wollmann auf eine Stunde die
Galerie historischer Porträts im Schlosse, die in ihrer Art von
höchster Bedeutung ist und u. a. auch ein sehr interessantes Brust-
bild von Luther enthält. Auf dem Wege über die Avenue erzählte
mir mein Begleiter eine Anekdote vom Chef, die recht hübsch ist,
zu der ich indes bemerken will, daß der Erzähler nicht recht zu-
verlässig ist, und daß der betreffende General über den Sinn des
Telegramms kaum im Zweifel gewesen sein wird. W. berichtete: