28. November Dreizehntes Kapitel 443
Infolgedessen verfaßte ich zwei Artikel über den Gegenstand,
einen für die Vossische und einen für die Weserzeitung, und ließ sie,
durch Berliner Hände abgeschrieben, an ihren Bestimmungsort ab—
gehen. Der eine lautete: „Versailles, 29. November. Schon seit
geraumer Zeit hört man hier behaupten, die eigentliche Ursache des
Unterbleibens des Bombardements liege nicht sowohl darin, daß
es an der nötigen Munition für die schon seit Wochen herbei—
geschafften Belagerungsgeschütze fehlte, auch nicht darin, daß die
Forts und die Enceinte von Paris zu stark wären, und sie sei über—
haupt nicht sowohl in militärischen Rücksichten als vielmehr darin
zu suchen, daß von sehr hochstehenden Damen und — wer sollte es
für möglich halten! — zugleich von freimaurerischer Seite gegen die
Beschießung gewirkt worden. Aus sehr guter Quelle schöpfend, kann
ich Ihnen versichern, daß dieses Gerücht nicht unbegründet ist, und
ich habe keine Widerlegung zu fürchten, wenn ich hinzufüge, daß
die Einmischung der einen jener Damen durch einen bekannten, auf
dem Konzil in der Opposition stark hervorgetretnen französischen
Prälaten angeregt worden ist. Näheres, wenn nötig, ein andermal.
Für heute nur noch ein paar Fragen. Ist es die rechte Humanität,
die in den durch die Verzögerung des Artillerieangriffs herbei—
geführten zahlreichen Gefechten vor Paris und durch die mit der
Einschließung verbundnen Strapazen Massen unsrer braven Truppen
zu Grunde gehn läßt, bloß damit eine feindliche Stadt nicht Schaden
leide? Ist es die rechte Politik, die durch jene Verzögerung den
Eindruck, den Sedan auf die Neutralen gemacht hat, sich verflüch—
tigen läßt? Ist es die rechte Freimaurerei, die sich um politische
Fragen kümmert? Man meinte bisher immer, die Politik habe keinen
Zutritt in die deutschen Logen.“
Wie Löwinsohn erfahren hat, hat man in diesen Tagen die
Galerie der historischen Porträts im Schlosse bestohlen, und zwar
sind ihr zwei Bilder entführt worden, das einer Prinzessin Marie
von Lothringen und das der La Valliere. 1 Die sofort angestellte
Untersuchung der Sache hat ergeben, daß der Dieb einen Nach-
schlüssel angewandt haben und mit den Gewohnheiten der Aufseher
bekannt gewesen sein muß, was von Fremden nicht vorausgesetzt
1 Louise de la Vallieère, Geliebte Ludwigs XIV.