Full text: Tagebuchblätter. Erster Band. (1)

29. November Dreizehntes Kapitel 447 
der Franzosen, mit dem Gros der Loirearmee nach Fontainebleau 
durchzubrechen. 
Später sollte ich an das Kriegsministerium in Berlin ein Tele— 
gramm senden lassen, mit dem Ersuchen, hinter allen französischen 
Offizieren, die unter Bruch des von ihnen gegebnen Ehrenwortes 
aus der Gefangenschaft entlaufen seien — ein Unfug, der unter 
den Herren stark eingerissen zu sein scheint —, Steckbriefe zu er- 
lassen und uns diese zur Veröffentlichung in französischen Blättern 
einzusenden. 
Noch später zeigte der Minister mir den Bericht eines Adju— 
tanten Keratrys, des Befehlshabers der bretonischen Armee, über 
die pomphafte und theatralisch zugestutzte Begnadigung eines Sol— 
daten — einen Bericht, den ich mit einer Schlußglosse in unsern 
Moniteur bringen will, und den ich mir als Andenken an die Art, 
in der diese neubacknen Dilettantenoffiziere sich gebaren und sich 
wohlgefällig in der Presse abspiegeln, notieren werde. Vor einigen 
Tagen hat der Graf Keratry folgendes in die Blätter bringen lassen: 
„Lager bei Conlie, 1 18. November, Mitternacht. 
Der Obergeneral (Kératry) hat mich ermächtigt, nachstehende 
Depesche an Sie zu richten. Heute ist ein unvergeßlicher Tag für 
die Armee der Bretagne. Ein zum Tode verurteilter Soldat wurde 
um zwei Uhr, wo er erschossen werden sollte, begnadigt. Dieser 
Soldat hatte sich auf sehr schlimme Weise gegen den Kommandanten 
des Lagers, General Bouedec, vergangen. Seit seiner Verurteilung 
hatten sich die Feldgeistlichen und die Offiziere des Generalstabs 
für seine Begnadigung verwendet. General de Kératry aber hatte 
erwidert, daß er sie nicht gewähren könne. So wurden denn heute 
um ein Uhr alle Truppen des Lagers versammelt, um der Hin- 
richtung beizuwohnen. Um zwei Uhr war alles in Bereitschaft. 
Der von zwei Feldpatern begleitete Verurteilte erwartete seinen letzten 
Augenblick. Er hatte eine um so größere Festigkeit an den Tag 
gelegt, als er wußte, daß er auf Begnadigung nicht mehr zu hoffen 
habe. Zur erwähnten Stunde wurde das Todesurteil vor der Front 
der Truppen verlesen. Dann vernahm man den ersten Trommel- 
1 Nordwestlich von Le Mans, eines von den Lagern, die Gambetta er- 
richtete, um seine Massenaufgebote einzuüben.
	        
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