458 Dreizehntes Kapitel 1. Dezember
einem Parlament der nationalen Verteidigung, wenn man sich weiter
verteidigen will, auf jeden Fall aber ein Parlament, das Frankreich
vertritt, zu fordern.“
Donnerstag, den 1. Dezember. Am Morgen fielen nur
ein Paar Schüsse von den Forts. Ich telegraphierte, daß der
gestrige Ausfall zu einem heftigen Gefechte mit der württembergischen
Division, der größern Hälfte des 12. und Abteilungen des 6. und
des 2. Armeekorps geführt hat, und daß der Ausgang die Zurück-
werfung des Feindes auf der ganzen Linie gewesen ist. Verwun-
dete haben die ihnen angebotne Erlaubnis zur Rückkehr nach Paris
abgelehnt. Dann folgte das gewöhnliche Zeitungsstudium mit An-
streichen und Auszügen.
Beim Frühstück erscheint Abeken mit verschnittnen Haaren. Er
fragt Bismarck-Bohlen, wie er aussehe.
„Wunderschön, Herr Geheimrat. Aber die Locke hier auf der
einen Seite ist länger als die auf der andern.“
„Das schadet nichts. Die soll so sein, die trag ich immer so.
Sonst aber finden Sie nichts auszusetzen?“
„Es ist ganz vortrefflich geraten, Herr Geheimrat."
Vergnügt pfeifend ging der alte Herr hinaus, während Hatzfeldt
ihm mit verwunderter Miene nachsah.
Bei Tische ist ein Premierleutnant von Saldern da, der als
Adjutant den letzten Kämpfen des zehnten Armeekorps mit der
Loirearmee beigewohnt hat. Nach ihm ist dieses Korps bei Beaune
la Rolande von der lbermacht der Franzosen, die sich neben dem
einen Flügel unfrer Truppen nach Fontainebleau durchschieben wollte,
eine Zeit lang umzingelt gewesen. Es hat sich sieben Stunden lang
mit der größten Unerschrockenheit und Standhaftigkeit gegen die An-
griffe des Feindes verteidigt. Namentlich haben sich die Truppen
unter Wedel und vor allen die Leute vom 16. Regiment her-
vorgethan.
„Wir haben über 1600 Gefangne gemacht, und der Gesamt-
verlust der Franzosen wird auf 4 bis 5000 Mann veranschlagt,“
sagt Saldern.
„Ja — erwidert der Chef —, es wäre mir aber lieber, wenn
es lauter Leichen wären. Gefangne sind jetzt bloß ein Nachteil
für uns.“