Full text: Tagebuchblätter. Erster Band. (1)

460 Dreizehntes Kapitel 1. Dezember 
mit dem Wein? fragte ich, und bekommt ihr Bier?« — Wein 
hätten sie den Tag etwa ein halbes Glas bekommen, sagte er. Ich 
erkundigte mich bei einem andern, der hatte gar keinen gekriegt. 
Dann ein dritter, der sagte, bis vor drei Tagen hätte es welchen 
gegeben, seitdem nicht mehr.“ — „So fragte ich mehrere, im ganzen 
wohl ein Dutzend, bis auf die Polen, die mich nicht verstanden und 
ihre Freude, daß sich jemand um sie kümmerte, bloß durch Lachen 
äußerten.“ — „Also die armen verwundeten Soldaten bekamen hier 
nicht, was sie haben mußten, und dabei war es kalt in den Zimmern, 
weil nicht eingeheizt werden sollte, damit die Bilder an den Wänden 
nicht Schaden litten. Als ob das Leben eines einzigen von unsern 
Soldaten nicht mehr wert wäre als der ganze Bilderkram im 
Schlosse.“ — „Und der Diener sagte mir, daß die Ollampen nur 
bis um elf brennten, und daß die Leute dann bis zum Morgen im 
Dunkeln lägen.“ — „Vorher hatte ich noch einen Unteroffizier ge- 
sprochen, der am Fuße verwundet war. Er sagte, er müßte zu- 
frieden sein, obwohl es besser sein könnte. Auf ihn nähme man 
wohl Rücksicht, aber die andern! Ein bayrischer Johanniter, der 
sich jetzt ein Herz faßte, sagte mir, daß Wein und Bier geliefert 
worden sei, aber wahrscheinlich irgendwo zur Hälfte oder mehr 
hängen geblieben sein würde, desgleichen warme Sachen und andre 
Liebesgaben. Ich ließ mich nun zu dem Chefarzt bringen. Wie 
steht es mit der Verpflegung der Kranken? fragte ich. Und 
bekommen sie gehörig zu essen?" — „Hier ist der Speisezettel.s 
— „Der kann mir nichts helfen. Die Leute essen kein Papier. — 
Und bekommen sie Wein?“ — Täglich einen halben Liter-. — »Ent— 
schuldigen Sie, das ist nicht wahr. Ich habe gefragt, und es ist 
nicht anzunehmen, daß die Leute lügen, wenn sie sagen, daß sie 
keinen bekommen haben.é — „Hier der Herr ist mein Zeuge, daß 
alles ordentlich und nach Vorschrift zugeht. Kommen Sie mit mir, 
und ich will sie in Ihrem Beisein befragen. — „Ich werde mich 
hüten, aber es wird dafür gesorgt werden, daß sie durch den Auditeur 
befragt werden, ob sie das erhalten, was an den Inspektor für sie 
gelangt. Er wurde ganz blaß; ich sehe ihn noch, sodaß ein 
Schmiß, den er im Gesicht hatte, deutlich zum Vorschein kam. 
-Darin läge ja ein schwerer Vorwurf auch für mich sagte er. 
— „Ja, erwiderte ich, allerdings, das solls auch — und ich
	        
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