Full text: Tagebuchblätter. Erster Band. (1)

1. Dezember Dreizehntes Kapitel 461 
werde Sorge tragen, daß die Sache untersucht wird und bald.“) — 
Am liebsten hätte ichs, wenn ich den König einmal bewegen könnte, 
die Verwundeten mit mir zu besuchen.“ 
Später setzte er hinzu: „Wir haben besonders zwei Klassen, wo 
Unterschleife vorkommen; das sind die Mehlwürmer, die mit dem 
Proviant zu thun haben, und die Baubeamten, vorzüglich die bei 
den Wasserbauten. Dann die Arzte. Ich erinnere mich, daß vor 
nicht langer Zeit — es muß etwa anderthalb Jahre her sein — 
eine große Untersuchung wegen Betrügereien bei der Gestellung zum 
Militär schwebte, in die zu meinem Erstaunen wohl dreißig Arzte 
verwickelt waren.“ 
Dann fragte er plötzlich: „Weiß einer von den Herren, wer 
Niethammer ist? Es muß ein sehr gelehrtes Haus sein.“!1 
Jemand meinte, ein Philologe, ein andrer sagte, ein Freund 
Hegels hätte so geheißen, Keudell bemerkte, es gebe einen Diplo- 
maten dieses Namens, der uns sehr wenig wohl wolle. 
Der Chef sagte: „Er muß mit Harleß in Verbindung ge- 
standen haben, und der war ein bayrischer Theologe und ein ver- 
logner, bösartiger Mensch.“? · 
Abends die Dunckersche Interpellation wegen der Verhaftung 
Jacobys, wie sie in der Nationalzeitung enthalten ist, auf Befehl 
des Kanzlers für den König zurecht gemacht. Später wieder ge— 
rufen, soll ich Neininger veranlassen, morgen früh zum Bundes- 
kanzler zu kommen. Dabei tadelt dieser das Französisch des Moni- 
teur und „daß er die Telegramme Podbielskis in ihrer dummen 
Fassung bringt." 
Später kam der Minister noch nach halb elf Uhr zu uns, als 
wir beim Thee saßen. Nach einer Weile äußerte er: „Die Zeitungen 
  
*) Wir werden weiter unten sehen, daß von dem Verdacht, der hier, 
nicht ohne reichliche Veranlassung durch den Anschein der Dinge, ausgesprochen 
wurde, zuletzt wenig mehr übrig blieb als ein Mangel in der Krankenverpflegung 
im allgemeinen und die Menschenfreundlichkeit und Gerechtigkeitsliebe des Ministers, 
um deretwillen ich mir diese Episode notierte. 
1 Siehe später S. 472. (4. Dez.) 
2 Gottfried Christoph Adolf Harleß, 1806—1879, erst Professor der Theo- 
logie in Erlangen und Leipzig, seit 1852 Präsident des Oberkonsistoriums in 
München. Das unfreundliche Urteil ist wohl ein Nachhall der vielen Angriffe, 
die seine streng orthodoxe Haltung hervorrief. Allg. Deutsche Biog. 10, 763 f.
	        
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