Full text: Tagebuchblätter. Erster Band. (1)

462 Dreizehntes Kapitel 1. Dezember 
sind unzufrieden mit dem bayrischen Vertrage. Ich hab mirs gleich 
gedacht. Es mißfällt ihnen, daß gewisse Beamte bayrische heißen, 
die sich doch ganz nach unsern Gesetzen richten müssen. Mit dem 
Militär ists in der Hauptsache ebenso. Die Biersteuer ist ihnen 
auch nicht recht; als ob wir das nicht jahrelang im Zollverein gehabt 
hätten. Und so haben sie noch allerlei auszusetzen, wo doch alles 
Wesentliche erreicht und gehörig festgemacht ist.“ — „Sie thun, als 
ob wir den Krieg gegen Bayern geführt hätten, wie 1866 gegen 
die Sachsen, während wir doch diesmal Bayern als Bundesgenossen 
zur Seite gehabt haben.“ — „Ehe sie den Vertrag gut heißen, 
wollen sie lieber warten, bis sie die Einheit kriegen in der ihnen 
genehmen Form. Da können sie lange warten. Ihr Weg führt 
nur zur Verschleppung, während es doch rasch handeln heißt. Zögern 
wir, so gewinnt der böse Feind Zeit, Unkraut dazwischen zu säen. 
Der Vertrag sichert uns viel; wer alles will, wird es möglich 
machen, daß nichts erlangt wird. Sie sind nicht zufrieden mit dem 
erreichten — wollen mehr Einförmigkeit — wenn sie doch fünf Jahre 
zurückdächten — womit wären sie damals zufrieden gewesen!" — — 
„Konstituierende Versammlung! Wenn nun der König von Bayern 
nicht dazu wählen läßt? Das bayrische Volk wird ihn nicht dazu 
zwingen, und ich auch nicht. Ja, tadeln ist leicht, wenn man von 
den Umständen keine Vorstellung hat." 
Er kam dann auf ein andres Thema. „Da habe ich — sagte 
er — den Bericht von dem Überfall des Bataillons Unna gelesen.: 
Einwohner von Chatillon haben sich daran beteiligt, andre freilich 
wieder haben unfre Leute wersteckt. Daß sie die Stadt nicht im 
ersten Zorne niedergebrannt haben! Später, bei kaltem Blute, ging 
das doch wohl nicht an.“ 
Ein Weilchen nachher nahm er einige Goldstücke heraus, mit 
denen er einige Augenblicke spielte. „Auffällig ist — sagte er 
dabei —, wie sehr man hier auch von anständig gekleideten Leuten 
angebettelt wird. Schon in Reims kam das vorz hier aber ists 
viel schlimmer.“ — „Wie selten man jetzt Goldstücke mit Ludwig 
Philipp oder Karl dem Zehnten zu sehen bekommt! Ich erinnere 
mich, wie ich jung war, in den zwanziger Jahren, sah man noch 
  
1 Vgl. oben S. 422.
	        
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